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Christian Zeugin ganz persönlich
Text und Interview: Maximilian Marti Foto: Copyright SRF/Oscar Alessio.
Die Radiosendung «Persönlich» von SRF1 gehört für viele zu den Wochen- end-Highlights wie der Zopf zum Frühstück. Jeden Sonntag pünktlich um 10:03 kündigt festliche Musik die Sendung an, eine sympathische Stimme begrüsst das Publikum vor Ort (hof- fentlich bald wieder!) und zu Hause und stellt zwei interessante Persönlichkei- ten kurz vor. Diese gewähren am Mikro- phon während einer Stunde Einblick in ihren Alltag und erzählen über das, was sie als Person für andere so bemerk- enswert und ihr Leben sp speziell macht.
Abenteurer, Erfinder, Grössen aus Kunst, Politik, Sport, Kultur und Wirtschaft und schräge Vögel führen spannende, amüsante Gespräche, geschickt geleitet von routinier- ten ModeratorInnen. Einer dieser Interview- Profis ist das Basler Urgestein Christian Zeugin, Leiter Moderation Radio SRF1, Re- daktionsleiter und Host «Persönlich», Host «Radio Bingo Show» mit Beat Schlatter bei Radio SRF1. Nun sitzt zur Abwechslung er selber auf dem «heissen Stuhl» und gibt Auskunft über seine Karriere beim Radio.
Christian Zeugin, Ihre Radio-Karriere be- gann in Amerika?
Tatsächlich moderierte ich während einem Studienaufenthalt in New Mexico zuerst auf einem kleinen Mittelwellensender in Santa Fe. Ich hatte dort mit einer Studienkollegin ein einstündiges Talkformat, lustigerweise schon damals immer an einem Sonntag. Dass der Sonntag zu einem Arbeitstag wird, kenne ich also bereits seit fast 30 Jahren.
Wie entstand diese Situation?
Wir wurden angefragt, ob wir Lust hätten, eine Stunde Sendezeit zu füllen. Der Host der Talkshow war während des Sommers abwesend, und so sprangen wir in die Bre- sche. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie viele Hörer wir in der Wüste New Mexikos hatten, aber der Spassfaktor war enorm gross.
Wie kamen Sie zum Schweizer Radio?
In der Schweiz sass ich 1997 zuerst beim Basler Lokalradio Basilisk am Mikrofon. Das
eigentliche Radiohandwerk lernte ich also noch am «Fischmärt», eine grossartige Zeit: Den Radios ging es gut, der Markt florierte, der ganze Onlinebereich lag damals erst in den Anfängen. 2000 wechselte ich dann zum damaligen DRS1, heute SRF1, und übernahm dort die Morgensendungen.
Was war vor «Persönlich»?
Als der neue Nachrichtensender SRF4 News entstand, war ich gleich Feuer und Flamme: Ich war bei den Anfängen im Studio Bern mit dabei und moderierte auch die ersten Stun- den des jungen Senders am 5. November 2007. Nach knapp zwei Jahren wechselte ich dann wieder zu SRF1, weil sich mir dort die Chance bot, die Moderationsleitung zu übernehmen und zugleich auch neuer Gast- geber von «Persönlich» zu werden.
Welche war Ihre eindrücklichste Begegnung?
Sicher die Sendung mit Kurt und Paola Felix in St. Gallen, wenige Monate bevor er ver- starb. Die spürbar tiefe Bindung der bei- den und ihr reflektierter Umgang mit seiner Krankheit haben mich tief beeindruckt. Die nachhaltigste Begegnung war fraglos die mit dem Komiker und Schauspieler Beat Schlat- ter: Nach seinem Besuch im «Persönlich» entwickelte sich eine Freundschaft, und wir nahmen seine Idee auf, die «Bingo Show» zu einem neuen Radioformat zu entwickeln. Die «Radio Bingo Show» hat sich innert kurzer Zeit als erfolgreiche Unterhaltungssendung etabliert.
Die bemerkenswerteste Panne?
Es gab eine Zeit in den Nullerjahren, in der das Sendepult bei DRS1 – eines der ersten digitalen Pulte überhaupt – immer wieder einfror: Meistens war das Mikrofon an und liess sich nicht mehr schliessen, auch Mu- sikspielen war nicht mehr möglich. Alles war am Sender hörbar, unser Krisenverhal- ten, auch wie der Sendetechniker alarmiert wurde, einfach alles! Für das Publikum war das eine Riesengaudi, für uns echtes Stres- straining, darum bringt mich seither nichts mehr so leicht aus der Ruhe.
Carte blanche, was für eine Sendung wür- den Sie auf die Beine stellen?
Ich beschäftige mich immer mit kreativen Ideen: Die digitalen Medien ermöglichen
auch neue Sendeformen. Ich studiere seit längerem an einem Podcast-Format mit Schweizer Humorschaffenden herum, junge und alte, Newcomer und Legenden. Eines ist sicher: Lachen tut gut und ist be- sonders heute wichtiger denn je.
Sie arbeiten seit über 20 Jahren in Zürich. Was hat sie in der Region Basel behalten? Unsere Region ist und bleibt einzigartig. Wenn ich am Wochenende zu meiner Jog- gingroute aufbreche, bin ich in zehn Minu- ten in Frankreich, 15 Minuten später über- quere ich die Dreiländerbrücke und bin in Deutschland, bevor ich via Hafen wieder Schweizer Boden betrete. Das Dreilände- reck macht etwas mit dem Kopf, es lässt uns weltoffener sein als andere Regionen. Das alles liebe ich an meinem Wohnort, da- rum war ein Wegzug nie ein Thema.
Was läuft in Ihrer Freizeit?
Meine Familie ist mir enorm wichtig, die beiden Töchter sind erwachsen und bald mit ihrem Studium fertig, unser Sohn ist dreieinhalb Jahre alt und bestimmt mit seinem sonnigen Wesen einen grossen Teil unseres Alltags. Ich nehme mir aber dennoch da und dort bewusst Zeit für die Fotografie und bin dann mit meinem Velo auf Erkundungstour in Basel: Architektur, Strassenszenen, das urbane Leben halte ich meistens in Schwarzweiss fest. Ich foto- grafiere oft auch analog mit verschiedenen klassischen Kameras, die zum Teil bereits 60 Jahre oder mehr auf dem Buckel haben.
Ihre Eltern waren beide Musiker. Stand nie zur Debatte, dass Sie in diese Fussstapfen treten würden?
Musik, Kultur und Kunst allgemein behal- ten immer einen speziellen Platz in meinem Herzen. An meinem Vater Peter Zeugin, der Konzertpianist war, sah ich aber auch, wie hoch der Zoll des Erfolgsdrucks und der Bühnenstress sein kann. Ich entschied mich deshalb, die Musik als rein spiele- risches Hobby zu behalten. In meinem Wohnzimmer steht selbstverständlich ein Piano, das immer spielbereit ist.
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