Page 67 - Bo_Nordwest_12
P. 67

 Kriens-Berlin-Basel ...
Text und Interview: Maximilian Marti
... sind Stationen, die bisher in der Fuss- ball-Karriere des gebürtigen Luzerners Valentin Stocker eine wichtige Rolle spielten. Er ist bekannt als geschickt agierender Stratege auf dem Rasen mit nicht immer sofort durchschaubaren Absichten. Man sagt ihm stets abrufba- res Durchsetzungsvermögen nach, je nach Situation gepaart mit einem gestri- chenen Löffel Schlitzohrigkeit – offen- bar ein Mix mit verlässlichem Erfolgs- potential. Seine bevorzugte Position ist das linke Mittelfeld, von wo aus er das Spiel als Kapitän sehr gut zugunsten seiner Mannschaft zu gestalten weiss. Seit 2018 steht er wieder unter Vertrag beim FCB.
1996 begann jung «Vali» seine Karriere in der Jugendmannschaft des SC Kriens. Im Januar 2006 wechselte er in die U-21- Mannschaft des FCB. Im Sommer 2007 stieg er auf in die FCB-Profimannschaft, mit der er die legendäre Schweizermeister- Serie 2008, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 erlebte und 2008, 2010 und 2012 Schweizer Cupsieger wurde. 2014 lockte ihn die Ber- liner Luft, wo er bei Hertha BSC bis Mitte 2018 spielte. Mit der Bundesliga-Erfahrung im Rucksack kam er zurück zum FCB, wo er zurzeit unter Vertrag steht bis 2023 mit Option auf Verlängerung.
Valentin Stocker, Sie erlitten zum Ab- schluss der Saison 2020 eine Verletzung – wie geht es Ihnen gesundheitlich? Danke, es geht mir prima. Natürlich zwickt es nach einer überstandenen Verletzung noch ab und zu hier und dort, aber ich habe mich vollständig erholt, fühle mich fit und voll Tatendrang. Einer der Vorteile, bei ei- nem Club wie dem FCB dabei zu sein, ist der, dass man bei solchen Zwischenfällen erstklassige physische und psychologische Betreuung erhält. Die medizinische Ver- sorgung ist ebenso hervorragend wie die nachfolgende Physiotherapie. Zusammen mit der persönlichen Ambition, so schnell wie möglich wieder volle Leistung bringen zu können, funktioniert diese bewährte Zusammenarbeit, sonst würde die Rekon- valeszenzzeit doppelt so lange dauern.
Und wie geht es Ihnen mental in dieser speziell für Mannschafts-Sportler nicht gerade einfachen Zeit?
Glücklicherweise kann ich Pflichten, Auf- gaben und Komfortzonen wenn nötig voneinander trennen. Das geht manchmal
fremdbestimmt. Plötzlich konnte ich meine Läufe und mein Yoga absolvieren, kochen, mit meinem Hund Heggy hinausgehen – und das alles zu Zeiten, die mir passten. Positiv ist auch, dass ich mich vermehrt meinen sozialen Projekten widmen kann. Für mich ist enorm wichtig im Leben,
mich dort einzu- bringen und zu engagieren, wo etwas bewegt werden kann zur Verbes- serung einer Notsituation. Unter anderem unterstütze ich seit Jahren ein Tierheim in Süditalien, eine kleine, private Auf- fangstation für be-
dürftige Tiere.
Auch das humanitäre Projekt meines Freundes Lior Etter, «Wasser für Was- ser», liegt mir sehr am Herzen. Mit direkter Hilfestellung an die Be- völkerung in Afrika setzen wir uns ein für die Beschaffung von sauberem Wasser. Diese Kostbarkeit ist bei uns vorläufig noch im Überfluss verfügbar, dort ist es vielerorts entweder verschmutzt oder nicht vorhan- den. Ist es nicht erschreckend, wie viele Menschen es gibt, die, keine Chance ha- ben, ein einigermassen würdiges Leben unter hygienisch akzeptablen Umständen zu führen? Ich finde, dass es gerade jetzt, wo sich die ganze Welt im Ausnahmezu- stand befindet, an der Zeit ist zu reflektie- ren: Auch wenn wir in einer schwierigen Zeit leben, sind wir Schweizer immer noch in der Lage, jenen zu helfen, denen es noch
viel schlechter geht.
mehr, manchmal auch aber das ist normal. So absolviere ich zu Hause meine spezi- fischen Trainingsein- heiten, fahre zu
weniger leicht,
 den Mann-
schafts-
trainings
nach Ba-
sel und
arbeite mit
meinem Mental-
trainer, seit über zehn
Jahren eine gute Zu-
sammenarbeit. Menta-
les Gleichgewicht ist der
Schlüssel zu sehr vielem im
Leben. Wir alle mussten uns in
sehr kurzer Zeit mit total verän-
derten Umständen auseinanderset-
zen, oft mit diffuser Perspektive, wenn überhaupt. Mentale Selbstkenntnis ist in solchen Situationen matchentscheidend, sonst haben Lethargie, Depressionen und Burnouts & Co. leichtes Spiel.
Für mich ist jetzt wichtig, meinen eigenen sowie den von aussen kommenden Erwar- tungshaltungen gerecht zu werden, das ist momentan die grösste Herausforderung. Dazu gehört auch der instabile Spielplan. Wir spielen momentan meist mittwochs und sonntags. Diese Partien können aber aufgrund von Corona-Verdacht kurzfristig verschoben werden. Auch spielen ohne Zuschauer ist als Fussballer nicht lustig, die Fans als unser 12. Mann sind für uns ein wichtiges Element!
Können Sie der Situation auch etwas Positives abgewinnen? Überraschenderweise ja. Im ersten Lock- down konnte ich zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben meinen Tagesablauf wenigstens teilweise selber gestalten. Als Profi-Fussballer ist man im Alltag durch die Trainings und die Spiele weitgehend
 627


































































   65   66   67   68   69