Page 85 - Bo_Nordwest_12
P. 85

 Sprinter kann man nicht werden, man ist es oder man ist es nicht
Text und Interview: Maximilian Marti Fotos: Remo Buess
Der Sprint oder Kurzstreckenlauf ist nicht nur eine der faszinierendsten Disziplinen in der Leichtathletik, son- dern auch die älteste Olympische Dis- ziplin. Dabei gilt es, eine Strecke in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen. Entscheidend ist, die grösstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, die der menschliche Organismus zulässt. Dabei werden zwischen 37 und im Bestfall fast 45kmh erreicht, eine Maximalleistung, die ein Sportler bis zu rund 40 Sekun- den aufrechterhalten kann (die abso- lute Höchstgeschwindigkeit wird max. für ca. 1 Sekunde aufrechterhalten). Im Fokus steht eine Handvoll der weltweit schnellsten Menschen. Zu ihnen gehört der Basler Athlet Silvan Wicki, mehr- facher Schweizer Meister, Aargauer Rekordhalter und Rekordhalter Schwei- zer Allzeit-Bestleistung 150 m.
Silvan Wicki, wie und wann begann Deine Karriere als Sprinter?
Meine beiden Eltern waren aktive Leichtath- leten, mit ihnen als Vorbilder gehörten Be- wegung und Sport schon immer zum Alltag. Zuerst war ich wie die meisten Jungs poly- sportiv orientiert, merkte aber bald, dass mir Hochsprung und Schnelllauf speziell zusagten. Nach der Pubertät begann ich, an Muskeln und Kraft zuzulegen, und wurde entsprechend schwerer. Was kommen musste, kam: Hochsprung war keine Option mehr. Darum entschloss ich mich, alles auf Sprint zu setzen; hier ist Kraft ein entschei- dender Faktor. 2009 kam ich zum OB Basel und begann mit 17, mich ernsthaft um mei- nen Aufbau zu kümmern und nur Sprint zu trainieren.
Hat sich Deine sportliche Karriere so ent- wickelt, wie Du sie Dir vorgestellt hast? Im Grossen und Ganzen ja. Mein Trainings- programm, die mentale Entwicklung und meine Zielstrebigkeit zeigten Fortschritte, und ich konnte erste brauchbare Resultate vorweisen. Mehr denn je war für mich und mein Umfeld klar, dass meine Entscheidung zum Sprint die richtige war. Das Training macht mir ebenso Spass wie der sicht- und spürbare Fortschritt. Meine athletische
Aktivität und mein Psychologie-Studium sind für mich die perfekte Lebens-Balance. Natürlich waren die paar Ausfälle aufgrund von Verletzungen oder gesundheitlichen Störungen nicht geplant, aber wenn man Spitzensport betreibt, müssen solche Vor- fälle ausgestanden, weggesteckt und über- wunden werden, um die gesetzten Ziele wie- der mit frischem Elan angehen zu können. Man sagt mir mentale Stärke nach. Das kann ich unterschreiben, sonst wäre ich als Sprin- ter nicht dort, wo ich bin.
Woran arbeitest Du beim Training zurzeit am intensivsten?
Körperlich und mental bin ich in einer guten Verfassung, und ich weiss, was ich zu tun habe, damit das so bleibt. Was im Zentrum steht, sind die Details, dort ist noch Raum für Verbesserung, daran arbeiten wir. Wie bringe ich meine Kraft noch effizienter auf den Boden? Wie kann ich meine Start- Technik noch verbessern? Welcher Winkel zum Boden ist für mich der vorteilhafteste? Wenn es um hundertstel Sekunden geht, ist das Zusammenspiel aller verfügbaren Tools der einzige Weg zum Sieg über sich selbst und im Wettkampf.
Deine Mutter, Sabine Wicki, ist Deine Co-Trainerin , zusammen mit dem Sprint- Spezialisten Patrick Saile. Ist es nicht un- gewöhnlich, die eigene Mutter als Traine- rin zu haben?
Nicht in meinem Fall, im Gegenteil. Meine Mutter hat selber Aktiv-Sport- und Trai- ningserfahrung. Mit ihr zusammen habe ich meine ersten grossen Erfolge feiern dürfen.
Besonders bei der Früherkennung von Gesundheitsrisiken (eher beim Gespür für die richtige Belastungsintensität generell, was Früherkennung von Gesundheitsrisiken natürlich miteinschliesst) hat sie eine beson- dere Begabung, was wenig verwunderlich ist. Wer kennt einen Sohn besser als seine Mutter?
Was ist Dein nächstes Ziel?
Noch dieses Jahr wenn möglich mein Studium an der FHS Zürich abzuschlies- sen, meine Leistungen zu verbessern, eine gute Saison hinzulegen und auf das Fernziel Olympische Spiele hinzuarbeiten. Es stehen noch ein paar Rekorde im Raum, die be- stimmt von jemand gebrochen werden, so ist das im Sport. Ich bin kein Rekordjäger um der Sache willen, aber warum soll dieser Jemand nicht ich sein?
Hast Du eine Botschaft an junge Sportler?
Fasst ein Ziel ins Auge und folgt eurem Ge- fühl, wenn es für dieses Ziel brennt. Bleibt euch selber treu, habt Freude und Spass daran. Ihr müsst es aber wollen.
Abschliessend bedanke ich mich ganz herzlich bei allen, die mich auf meinem Weg ermutigt, beraten, gefördert, unterstützt, weitergebracht, gesponsert und beglei- tet haben, allen voran bei meiner Familie, meinem Verein und meinen Trainern Patrick Saile & Sabine Wicki.
btv-athletics.ch swiss-athletics.ch
  825
















































































   83   84   85   86   87