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 Die zauberhafte Stimme Oltens
Text und Interview: Maximilian Marti
Am 17. März 2018 erhielten Olten und die helvetische Musikwelt ein wun- dervolles Geschenk: Denise Donatsch veröffentlichte ihr erstes Album. Die Oltener Mundartsängerin besticht mit ihrer unverkennbaren Stimme und ei- nem Themenbogen, der vom Chanson über Jazz und Rock bis zur Ballade reicht, angenehm geprägt vom Night- Club-Stil der 50er und 60er Jahre. Mit ihrer Art, Musik zu zelebrieren und mit ihrem natürlichen Flair für Auftritte ist diese Musikerin aus der Oltener Szene nicht mehr wegzudenken.
Denise Donatsch, was ist Ihr stärkster Antrieb, Musik zu machen?
Das sind deren zwei: Einerseits ist Musik meine Insel, mein Ort, an dem mein Kopf einfach mal schweigt und dies auch tun soll. Überfüllte Köpfe haben nur wenig Spiel- raum für Neues. Die Stärke, mit der Musik auf mich einwirken kann, ist mein Tor zur innersten Freiheit, auch meine Chance, um mich von der lähmenden Schwere und aus den Sorgen dieser Welt auszuklinken. Das hat absolut nichts zu tun mit Verdrängen, im Gegenteil: Diese sporadischen Auszei- ten verschaffen mir Überblick und damit die Grundlage zu entscheiden, was ich im Alltag getrost ignorieren kann und welchen Herausforderungen ich mich stellen will. Ausserdem belebt Musik den Dialog mit mir selber, was mich oft zu
neuen Impulsen führt für meine Texte und Songs.
Andererseits ist Musik ein wundervolles Kommunika- tionsmittel – nicht nur als vielseitige Botschaft nach innen, dieselbe Wirkung hat sie auch nach aussen. Musik kann grenzenlos viele Menschen unterhal- ten, begeistern, mitreissen, zum Mitsingen animieren, trösten und vieles mehr, je nachdem unter welchen Umständen sie gehört wird. Diese Eigenschaften umzu- setzen, auf meine Art das
Beste aus ihnen herauszuholen und meine Unterschrift darunter setzen zu dürfen, ist meine stärkste Motivation, Musik zu machen.
Schreiben und komponieren Sie alle Ihre Lieder selber?
Im ersten Schritt ja. Zuerst schreibe ich die Melodie sowie den Text und lege die Chords mehr oder weniger fest, dann kommt mein Pianist Jan Freicher zum Zug. Er bearbei- tet die Songs weiter, verfeinert und ergänzt dort, wo es sinnvoll ist. In einem weiteren, letzten Schritt wird das ‹Halbfabrikat› von der ganzen Band inspiziert und weiterentwi- ckelt, bis das Endresultat steht. So holen wir die Musik ins Leben, die wir gerne spielen, Musik, die uns gefällt – und dem Publikum offenbar auch.
Und wie beschreiben Sie selber Ihre Musik?
Lyrisch darf sie sein, womit ich mitteilend meine, auch erzählerisch und zu Denkan- stössen auffordernd. Gelegentlich kommt sie elegisch herüber, also wehmütig, gerne auch mal schwermütig, dann wieder male- risch, als wenn Farben eine Stimme hätten. Auch der kindlich-naiven Sichtweise wird Platz gemacht, aber wenn ich allzu sehr in diese Richtung abdrifte, werde ich von mei- nen Musikern zurechtgestutzt, wofür ich ih- nen sehr dankbar bin.
Sie sind ausgebildete Musical-Darstelle- rin. Was hat sich seit Ihrer Ausbildung in der Szene zum Besseren verändert?
Da muss ich passen, aus diesem Unter- haltungs-Format habe ich mich schon seit Jahren zurückgezogen. Erst kürzlich habe ich aber mit einem sehr aktiven Musicaldar- steller gesprochen. Laut ihm hat sich die Szene nicht merklich verändert, ist immer noch hart umkämpft und ein besonders beliebter Tummelplatz für all diejenigen mit viel ‹Vitamin B›.
Ihre Instrumente sind der Gesang und das Wort. Welche Sprache würden Sie gerne über Nacht erlernen und warum? Latein. Diese Sprache empfinde ich als äusserst ästhetisch, mit einer universellen Ausstrahlung, weil man ja eigentlich gar nicht weiss, wie sie im Altertum tatsächlich gesprochen wurde. Innerhalb meines Phi- losophiestudiums begegnen Latein und ich uns regelmässig, und ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt und fasziniert, wie viel Aussagekraft und Inhalt in der Einfachheit dieser Sprache liegen.
Sie äusserten mal den Wunsch, zusam- men mit Willie Nelson zu musizieren. Warum gerade mit ihm?
Ich mag seine Diskrepanz zwischen Boden- haftung und Poesie und seine Zöpfe. ☺
Woran arbeiten Sie aktuell?
An neuen Songs, die wieder jazziger werden sollen. Bald geht es für eine EP (Extended Play) ins Studio. Auch meine philosophi- schen Einsichten sind work in progress. Des Weiteren versuche ich, mir meinen grünen Daumen zu verdienen, und geniesse die Zeit im Schrebergarten.
Wie ist Ihr Blick in die Zukunft?
Positiv. Ich hege die Hoffnung, dass die Menschheit den Schritt schafft, definitiv zur Einsicht zu kommen, dass der Lebens- stil, den wir in den letzten fünfzig bis sieb- zig Jahren zu führen pflegten, alles andere als normal und vernünftig ist. Wir müssen die Klarheit erlangen, dass der Verzicht auf gewisse Überflüssigkeiten zum Gewinn für alle führt. Ansonsten freue ich mich dar- auf, Songs zu schreiben und aufzunehmen, Konzerte zu spielen, zu studieren, zu arbei- ten und zu gärtnern.
denisedonatsch.ch
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