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    «Man kann mich kritisieren, aber bitte mit Respekt und Anstand!»
Text: Regula Elsener Steinmann
Bilder: Daniele Lupini, Leistungsfotografie
Einst war er im SRF-Sportteam der junge Wilde mit der losen Zunge und den forschen Sprüchen: An einen wie den Sascha Ruefer mussten sich gewisse Fussballfans daheim auf dem bequemen Sofa erstmal gewöhnen.
Inzwischen ist er bald 25 Jahre bei SRF und einer der letzten «der alten Garde», wie er selbst sagt. Wobei: Abgesehen von leicht ergrauten Schläfen hat sich der Solothurner kaum verändert. Oder müsste man eher sa- gen: der Luzerner? «Ich bin in Lengnau auf- gewachsen, meine Eltern leben noch immer dort. Das verbindet natürlich.» Lebensmit- telpunkt ist heute aber klar das luzernische Schenkon. Insbesondere wegen Matti: Mit seinem kleinen Sohn verbringt er so viel Zeit wie möglich.
Wir treffen Sascha Ruefer im künstlich begrünten Innenhof des Studios Leut- schenbach. Nach unserem Gespräch muss er weiter an ein Testspiel der Fussball-Nationalmannschaft.
Der Ruefer und die Nati, da gehen die Wellen oft hoch ...
Vladimir Petkovic und Sie haben etwas gemein: Viele Fussballfans sind über- zeugt, dass sie diese zwei Jobs besser machen könnten.
Hm, das hat was! Bei jedem Match sitzen Zehntausende von Experten vor dem Bild- schirm: Wenn es nicht gut läuft, trägt der Trainer die Schuld oder der Schiedsrich- ter und ganz besonders der Kommentator (lacht). Aber daran habe ich mich gewöhnt. Für viele ist das wohl eine Art Ventil für all ihren Alltagsärger.
Dennoch erleben Sie immer wieder ver- bale Entgleisungen. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Dass die sozialen Medien vieles verändert haben in unserer Gesellschaft – leider nicht nur zum Guten. Heute kann jeder als Hans C. aus B. oder «Star23» im Internet seinen ganzen Frust in Worte packen, und nie- mand hält ihn zurück. Nicht mal juristisch hast du eine echte Chance. Ich beobachte
eine Verrohung der Sprache ... das geht auf keine Kuhhaut. Vielleicht bin ich diesbezüglich «alte Schule», aber da- gegen kämpfe ich unaufhörlich an. Da- bei erkläre ich jedem wütenden Fan: Man kann mich jederzeit kritisieren, aber bitte mit Respekt und Anstand!
Sie sagten vorhin: «Ich habe mich da- ran gewöhnt.» Pras- selt das wirklich an Ihnen ab?
Ja, aber das hat eine Geschichte: Nach der WM in Brasilien 2014 spürte ich beruflich eine grosse Orientierungslo- sigkeit. Ich wusste nicht, wo ich stand, konnte meine Leistung nicht mehr richtig einschätzen. Dank eines sensationellen Coachings habe ich gelernt, die Relationen zurechtzurücken.
Inwiefern?
Wenn ich nach einem Spiel 50 «Schläm- perli» bekam, hat mich das sehr belastet. Dabei sind das 50 von über einer Million Zu- schauern! Diese Relationen hatte ich total verloren. Zudem lese ich keine Kommen- tare mehr über mich auf News-Portalen und bewege mich kaum in den sozialen Medien. Ich kann mich erinnern, wie ich vor ein paar Jahren zu hören bekam: Ohne Twitter, In- stagram und Co. verschwindest du in der Versenkung. Nun, ich habe zwar Accounts, schreibe aber kaum etwas – und hey, ich bin immer noch da! (lacht)
Warum wird Fussball eigentlich so tie- risch ernst genommen?
Es stecken halt viele Emotionen drin, was wunderschön ist. Aber manchmal denke ich: Leute, ich kommentiere ein Spiel! Ich rede nicht über Mord und Totschlag. Es ist Fussball, es ist Fun! Ein bisschen mehr Ge- lassenheit wäre angebracht. Natürlich er- lebe ich aber auch immer wieder coole Sa- chen: Nach einem Spiel von Juventus Turin etwa meldete sich ein Juve-Fan bei mir,
dem mein Kommentar missfiel. Ich schrieb ihm zurück, wir kamen ins Gespräch, und heute beliefert er mich mit super Infos über den Club, die ich oft einfliessen lasse.
Ihre Augen glänzen. Sie lieben Ihren Job trotz allem?
Er ist wie ein Sechser im Lotto! Ich wollte immer Kommentator werden und bin es nach wie vor mit Leib und Seele. Mir ist generell bewusst, dass ich auf der Son- nenseite des Lebens stehe. In diesem Land leben zu dürfen, ist ein Privileg. Natürlich hat Corona viele Menschen durchgeschüt- telt. Aber man sollte nicht vergessen, wie es anderswo wäre. Da fehlen mir oft die Dank- barkeit und die Demut.
Jetzt sind wir so tief in diesem Thema drin – dabei wollte ich Sie noch fragen, wann Sie eigentlich Ihren ersten eigenen Wein rausbringen ...
(Lacht) Die Vielfalt des Weins fasziniert mich tatsächlich, das ist eine echte Pas- sion. Doch ich sehe auch das Handwerk und die enorme Arbeit dahinter. Eigene Re- ben kommen für mich daher nicht in Frage. Zum Glück gibt’s aber tolle und innovative Winzer in der Schweiz. Ich strecke immer wieder meine Fühler aus, denn als Teil eines Teams würde ich sehr gerne einen eigenen Tropfen mitentwickeln.
www.sascharuefer.ch
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