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  Der Thurgauer Thronanwärter
Text und Interview: Maximilian Marti Fotos: Lorenz Reifler
Wer vor Samuel «Sämi» Giger steht, ist beeindruckt wie ein Niederländer, der die Schweizer Alpenkette zum ersten Mal sieht. Der junge Thurgauer Modell-Ath- let bringt fettlose 120kg auf die Waage, trägt Schuhgrösse 48, ist erst 23 Jahre alt, 194cm gross und bereits einer der talentiertesten Schwinger. Best Of gra- tuliert natürlich ganz herzlich zum Sieg beim Rigi-Schwinget vom 11. Juli 2021, wo Sämi seinen 18. Kranzfestsieg feiern konnte!
Rund 17 Jahre fokussiertes, zielstrebiges Training und der Wille, aus seinem Talent das Beste zu machen, brachten den bescheiden wirkenden Senn trotz einigen verletzungsbe- dingten Ausfällen zu dem, was er heute ist. Die bisherigen Highlights seiner sportlichen Karriere sind zwei Eidgenössische Kränze mit Spitzenplatzierungen, sechs Bergfest- und zwei Teilverbands-Siege. In Schwin- gerkreisen ist er bekannt für seine enorme Kraft, Beweglichkeit, Willen und natürlich für seine explosiven «Kurz»-Züge, mit denen er auch schon zwei Mal den amtierenden König Christian Stucki bezwang.
Sämi, erinnerst Du Dich noch an Deinen allerersten Gang?
Nur zum Teil. Das war 2005 in Bottighofen, da war ich sieben Jahre alt. Ich weiss nicht mehr, gegen wen ich antrat oder wer am Schluss wem den Rücken abklopfte. Was zurückblieb, ist das damals empfundene Gefühl der Zugehörigkeit, als ich im Säge- mehl stand und Griff fasste, nachdem uns die ersten Regeln erklärt wurden. Ich war total aufgeregt und nervös, ein Handicap, das ich inzwischen glücklicherweise ab- legen konnte.
Als gelernter Zimmermann fährst Du jetzt LKW im Bau-Bereich. Hast Du die- sen Wechsel gemacht zugunsten des Schwingens?
Zum Teil ja. Obschon der Job körperlich weniger schwer ist, ergänzt das Auf- und Abladen auf willkommene Weise mein Krafttraining, und die reduzierte Arbeits- zeit ermöglicht mir mehr Zeit im Säge- mehl. Dort kommt mir die tagsüber weniger
erforderliche Energie besser zugute. Ich fahre sehr gerne LKW und darf sagen, dass ich sowohl in der Berufs- wie in der Sport- welt meinen Platz gefunden habe.
Wie sieht Deine Trainingsagenda aus?
Im Winter sind das sieben bis acht Trai- ningseinheiten, in der Saison je nach Wett- kampf-Kalender vier bis fünf. Die Einheiten beinhalten Technik-, Kraft-, Konditions- und Koordinationstraining, was wichtig ist fürs Abrufen der Schnellkraft. Auch Erholung und Regeneration sind sehr wichtig, weshalb ich regelmässig zur Massage gehe.
Zum Thema Werbung: Lange war das für Dich kein Thema, jetzt bist Du Botschaf- ter für fünf verschiedene Sponsoren. Was hat Deine Meinung beeinflusst?
Für mich war es wichtig, zu warten bis ich für Sponsoren bereit war. Zuerst kam dies für mich nicht in Frage, da ich noch in der Ausbildung war. Dann war ich in der Vorbe- reitung aufs Eidgenössische. In den letzten Jahren habe ich mich nun mehr und mehr damit beschäftigt und im letzten Jahr alles unter Dach und Fach gebracht. Mir war es wichtig, regional verwurzelte Partner, die die gleichen Werte wie ich vertreten, zu finden: bodenständig, zielstrebig und fair – dies habe ich mit meinen fünf Partnern geschafft.
Zu Deiner Ernährung: Gibt es einen spe- ziellen Menüplan, oder gewisse Lebens- mittel, die Du nicht konsumierst?
Nein, ich habe keinen strikten Menüplan. Ich achte darauf, mich ausgewogen zu
ernähren. Proteine sind im Schwingen, wo viel Kraft gebraucht wird, sehr wichtig. Und natürlich auch Kohlenhydrate, Gemüse und Salat. Ich verbrauche im Training und an den Wettkämpfen viel Energie, entsprechend ist mein Teller meist gut gefüllt.
Du hast alles, was dazugehört, um optisch zu wirken. Käme für Dich auch Model- oder Filmarbeit in Frage?
Ich bin mit Leib und Seele Schwinger, das und mein ruhiges Privatleben sind meine Welt. Ob ich zum Schauspieler taugen würde, bezweifle ich. Für die Foto-Arbeit und kleine Filme im Rahmen des Sponsorings und sporadische Auftritte reicht’s gerade.
Vom 26. bis 28. August wird in Pratteln (hoffentlich) das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 stattfinden. Wer könnte Dir dort gefährlich werden? Um fürs Eidgenössische optimal vorbereitet zu sein, muss vieles zusammenspielen, und das bei jedem Schwinger. Man muss gesund und ohne Verletzungen unterwegs und dazu noch in Bestform sein. Wem das in über einem Jahr gelingt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht sagen. Es hat ei- nige starke Schwinger in der Schweiz. Eines ist aber sicher: Jeder, der diesen Ring be- tritt, will den Sieg und wird dafür sein Bestes geben.
www.samuel-giger.ch
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