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  «Hey, Ihr dürft Hockey spielen – have fun!»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann
«Hertibueb» – so nennen ihn einge- fleischte EVZ-Fans noch heute. Was ja auch stimmt, denn Patrick Fischer wuchs tatsächlich im gleichnamigen Quartier auf. Direkt neben der Kunsteisbahn.
Der Zuger ist quasi eine lebende Legende. Für alle, die Fischers Stationen doch nicht mehr ganz im Kopf haben – voilà: Als Jung- spund spielte er natürlich erst mal beim EVZ. Später ging es nach Lugano und Davos, 2006 gar in die NHL und für kurze Zeit nach Russland. Zum Abschluss seiner Spieler- karriere trug Fischer noch einmal das Zuger Trikot, bevor er es 2009 endgültig auszog. Über 180 Mal lief er zudem für die National- mannschaft auf.
Erste Station als Trainer war 2013 sein alter Club HC Lugano. 2016 rieb sich so manch ein Hockeyfan die Augen, als Patrick Fischer überraschend das Schweizer Nationalteam übernahm. Nur gerade zwei Jahre später wäre die Mannschaft unter ihm beinahe Weltmeister geworden!
Er durfte in seinem Leben oft auf der Son- nenseite stehen, erzählt er im Gespräch mit «Best Of Zug». Gewachsen sei er aber vor allem an Krisen. Und die gab es in Fischers Leben natürlich auch.
Fangen wir mit einer ganz bitteren Niederlage an: In der Primarschule sind Sie gemeinsam mit ihrem späteren EVZ- Kollegen Livio Fazio aus dem Block- flötenunterricht geflogen...
Ja, das stimmt (Patrick Fischer lacht herz- haft). Aber Livio und ich hatten es klar da- rauf angelegt – und unser Ziel schliesslich erreicht. Ich war nie ein grosses Musik- talent. Im Moment singe ich immerhin Gute- Nacht-Lieder für meine kleine Tochter.
Sprechen wir über Ihr wahres Talent, das Hockeyspielen. In Ihrer Karriere ging es manchmal rauf und runter wie auf einer Achterbahn. Wie erträgt man das? Indem man früh lernt abzuschalten. Einem verlorenen Spiel nachzuhängen, bringt nichts, sondern lenkt nur ab. Das Gleiche gilt fürs Siegen: Wenn du zu berauscht ins
nächste Spiel gehst, kommt das selten gut heraus. Aber dieses «Abhaken» gelingt nicht immer, das ist klar.
Gerade Sportler betonen stets, dass sie an jeder Niederlage wachsen. Klingt toll, aber seien wir ehrlich: In erster Linie sind Niederlagen hart und mühsam!
Hm, das sehe ich etwas anders. Meine schwierigste Zeit hatte ich mit 25, als eine Knieverletzung fast meine Karriere been- dete – und meine damalige Partnerin gleich- zeitig mit unserem Sohn schwanger war. Da kam vieles zusammen... Doch ich ging ge- stärkt aus der Situation heraus. Ohne diese Krise hätte ich wohl nie mein volles Potential ausgeschöpft.
Was löste die Erfahrung denn ganz kon- kret aus?
Es war ein Warnzeichen. Mein Körper wollte mir etwas mitteilen. Natürlich liebte ich es, auf dem Eis zu stehen und Matches zu spie- len. Das Training nahm ich hingegen weniger ernst. Diese Verletzung zwang mich, meine Einstellung zu überdenken, und brachte eine gewisse Ernsthaftigkeit in mein Leben. Die besten Jahre als Spieler fingen da erst an. Zuvor war ich eher «lufti-bussig» unterwegs (lacht).
Ja, man liest da so einiges – etwa von Trainingslagern, aus denen Sie abge- hauen sind... Haben Sie als Coach heute besonders viel Verständnis für rebelli- sche Spieler?
Ich kann mich sicher gut in sie hineinver- setzen. Und weiss, wie wichtig es ist, dass gerade die Jungen auch mal ausbrechen
können. Daher versuche ich, jeden Spieler dort abzuholen, wo er gerade steht. Aber ir- gendwann muss dann schon ein spürbarer Wachstumsschritt folgen.
Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren intensiv mit der indigenen Kultur Perus, lebten dort auch immer wieder einige Zeit. Wie viel davon fliesst in Ihre Arbeit ein?
Die Indios sind weniger kopflastig als wir, nehmen vieles leichter. Ich erinnere mich an eine Situation im Dschungel: Da fiel einer von ihnen mit voller Wucht in den Schlamm. Bei uns wäre die Reaktion wohl: Oh nein! Ohjeh! Sowas Blödes! Sie hingegen lachten herzhaft – allen voran derjenige im Schlamm. Eine solche Lockerheit und Leichtigkeit ver- suche ich auch meinen Spielern zu vermit- teln. Ich sage ihnen: Blockiert Euch nicht selbst. Klar, es geht vielleicht um eine WM, es geht auch um Geld, um Existenzen. Aber hey, in erster Linie dürft Ihr Hockey spielen, das ist ein Privileg. Have Fun!
2020 sollte das grosse Hockey-Jahr wer- den inklusive WM im eigenen Land... Wie intensiv war Ihr Kontakt zu den Spielern? Ich hielt mich bewusst zurück, denn die Spieler hatten in ihren Clubs genug um die Ohren. Unsere Zeit wird wieder kommen! Im Moment beschäftige ich mich intensiv mit meiner zusätzlichen Rolle als Assistenztrai- ner der U20-Nati. Nun kann ich junge Spieler schon viel früher begleiten. Das war schon lange mein Wunsch.
www.patrickfischer.me
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