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 «Herr Schmezer, darf ig öich eifach schnäu grüesse?»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann
Foto links: Kostas Maros, Foto rechts: Michael Meier
«Kennst Du den Ueli Schmezer?» Klar, dass viele Erwachsene diese Frage beja- hen, war der Berner doch über 35 Jahre Moderator des Schweizer Fernsehens. Bei Kindern gibt’s die gleiche Antwort – wenn auch aus einem anderen Grund.
Sie interessieren sich weder für Schimmel- Fleisch, Spülmitteltests noch gierige Schar- latane, aber umso mehr für den «Bagger», d’ «Muus im Huus» und «Mis liebschte Gmües isch Cervelat»: Ueli Schmezer’s «Chinderland»-CD’s werden euphorisch rauf und runtergespielt! Zugegeben, manchmal fast etwas zu euphorisch ...
Herr Schmezer, es gab eine Zeit, da konnte ich Sie nicht mehr hören ...
Ein grösseres Kompliment kann man mir kaum machen (schmunzelt.). Es ist wunder- schön, wie die Chinderland-Songs zu Be- gleitern vieler Familien geworden sind. Erst kürzlich erzählte mir jemand, dass «Mir sy es Team» ihr persönliches Familienlied sei. Das war von Anfang mein Ziel: Ich wollte Musik machen, mit der die Welt der kleinen und grossen Menschen verbunden wird. Schliesslich ist man gemeinsam unterwegs.
Die Kinderlieder schreiben Sie selbst, für Erwachsene singen Sie die legendären Stücke von Mani Matter. Warum eigent- lich keine eigenen?
Ich habe 2009 mit «Himustärnehimu» tat- sächlich eine Mundart-Poprock-CD raus- gebracht, konnte das Projekt aber nicht weiterverfolgen. Mir fehlte damals schlicht die Zeit. Familie, Job und die anderen Mu- sikprojekte waren schon mehr als genug.
Jetzt hätten Sie vielleicht mehr Zeit ...
(Lacht.) Danke für den Tipp! Das wäre tat- sächlich mal eine Überlegung wert.
Seit dem letzten «Kassensturz» sind ein paar Monate vergangen. Nun fahren Sie nicht mehr jeden Tag nach Leutschen- bach, haben einen anderen Tagesablauf. Wie schwer war die Umstellung?
Mein Alltag hat sich tatsächlich stark ver- ändert. Vor allem bestimme ich jetzt selbst über meine Zeit. Das ist ein unglaublich
Ueli Schmezer’s MatterLive: (v. l.) Andi Pupato, Nick Perrin, Ueli Schmezer und Michel Poffet
 gutes Gefühl. Und ich kann viele Ideen anpacken und Projekte umsetzen, die mir wichtig sind. Ich habe quasi ein offenes, un- bebautes Feld vor mir.
Sie geben an der Migros Klubschule und an verschiedenen Fachhochschulen be- reits Kurse für Auftrittskompetenz – oder wie Sie es nennen: «Den inneren Schwei- nehund ‹Lampenfieber› überwinden». Wie fühlt sich die neue Rolle an?
Sehr gut! Ich sehe mich als Coach, der den Teilnehmenden gewisse Mechanismen auf- zeigt und hilft, mit Übungen, Beispielen etc. eine Strategie für den eigenen Auftritt zu entwickeln. Da erlebe ich sehr intensive Be- gegnungen – wir erarbeiten im kleinen Kreis den ganz persönlichen, souveränen Auftritt und kommen gemeinsam weiter. Auch für KMU biete ich solche Kurse an, zum Teil auch inklusive Medientraining. Da lerne ich Branchen von einer anderen Seite her ken- nen. Spannend!
Klingt nach viel Arbeit! Dabei sagten Sie beim TV-Abschied: «Ab jetzt geniesse ich mehr den Moment».
Hab’ ich das gesagt?
Ja. Gelingt das demnach nicht wie geplant?
(Lacht.) Ich habe den Moment immer ge- nossen, aber als Selbständiger bin ich freier. Gestern etwa waren meine Frau und ich drei Stunden auf dem Bike, dafür habe ich bis zwei Uhr nachts gearbeitet. Aber ich kam mir auch bei SRF nie «eingesperrt» vor. So war ich vor 25 Jahren ja der erste
im Leutschenbach, der einen «Papatag» durchgesetzt hat.
Gutes Stichwort: Sie waren 37 Jahre in der Öffentlichkeit, doch ich kann mich an kein einziges Foto mit Ihrer Frau und den drei inzwischen erwachsenen Söhnen erinnern. Wie haben Sie das geschafft? Indem wir von Anfang an klar festlegten, dass wir bei solchen Stories nicht mitma- chen. Kinder sollen ihr eigenes Leben ha- ben und nicht als Kinder ihrer Eltern wahr- genommen werden. Es reicht, dass unsere Söhne Schmezer heissen. Die Leute brau- chen nicht zu wissen, wie sie aussehen.
Sitzen Sie selbst im Restaurant noch immer mit dem Gesicht zur Wand?
Ja, so hab ich’s einfach ruhiger. Wenn- gleich die Popularität kein Problem ist. Viele Leute sind ja sehr herzig. Kürzlich machten wir beim Biken im Seeland eine Pause. Da rief ein Mann beim Vorbeilaufen: «Ja, ist das nicht der Ueli?». Ich entgegnete: «Yes, und wer bist Du?». Da kam er zurück und sagte: «Exgüse, dass ich Dich einfach so anspreche. Aber ich habe Deinen Weg als Musiker und Journalist halt immer verfolgt.» Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass er zig Gedichte meines Vaters (Schriftsteller Guido Schmezer, Anmerk. d. Red.) auswendig konnte! Was ich damit meine: Ich erlebe im Alltag sehr viel Schö- nes – vom winkenden Tramchauffeur bis zur Dame vor mir in der Reihe, die schüchtern fragt: «Herr Schmezer, darf ig öich eifach schnäu grüesse?»
www.schmezer.ch
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