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  «Meine Mutter sagte immer: Eveline ist eine Kerze, die an beiden Enden brennt»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Tobias Stahel
Fangen wir dieses Porträt ganz klassisch an: Aufgewachsen ist Eveline Suter in Neuheim. Für ihre Schauspielausbildung zog sie mit erst 18 Jahren nach Wien und von da nach... Nein, hier hören wir bes- ser auf, denn das würde die ganze Seite füllen. Die Künstlerin lacht herzhaft: «Ja, nach 35 Umzügen habe ich aufgehört zu zählen. Das war vor acht Jahren.» Heute lebt sie in Sursee. Hier ist quasi ihre «Ba- sis». Denn die eigenen Engagements und derzeit v.a. jene ihres Ehemanns, des US-Filmproduzenten Danny Stillman, führen die kleine Familie immer wieder für längere Zeit ins Ausland. So stehen 2022 mitunter einige Monate New York auf dem Programm.
Bekannt wurde Suter durch TV-Serien wie «Anna und die Liebe» sowie zahlreiche Mu- sicals: Von «Die Schöne und das Biest» über «My Fair Lady» bis hin zur Paraderolle als Edith Piaf in «Spatz und Engel». 2019 kam Söhnchen Findley zur Welt. Just als sie ihre Rückkehr auf die Bühne plante, stellte Co- rona alles auf den Kopf. «Die Pandemie gab mir aber auch Zeit und Gelegenheit, über vieles nachzudenken und die Weichen neu zu stellen», sagt sie. Da wollen wir mehr er- fahren. Aber erst mal eine Frage, die sie so sicher nicht erwartet:
Können Sie eigentlich immer noch im Handstand gehen?
(Lacht) Oh ja! Aber das mache ich natürlich nicht jeden Tag. Den normalen Hand- und auch Kopfstand hingegen schon. Ganz früh am Morgen, wenn mein Mann und Findley noch schlafen: beim Yoga. Das ist meine ganz persönliche physische und psychische Hygiene. Diese Übungen ermöglichen eine andere Perspektive – im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie sagten zudem einmal, Sie seien toll- patschig, würden öfters mal irgendwo ausrutschen oder hinfallen, was ihre Büh- nenkolleginnen und -kollegen zu allerlei neckischen Sprüchen animiere. Hat sich das gelegt?
Interessant, dass Sie das fragen, denn da- rüber habe ich nie mehr nachgedacht. Das
passierte früher tatsächlich öfters. Meine Mutter sagte immer: «Eveline ist wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt.» Sie hatte recht: Ich war sehr unruhig, raste durch mein Leben, tanzte auf zig Hochzei- ten gleichzeitig und war dadurch nicht im- mer ganz bei der Sache. Darum auch die regelmässigen Stolperer auf oder hinter der Bühne. «Fahrig» wäre vielleicht der richtige Ausdruck. Erst meine Schwangerschaft hat damit radikal Schluss gemacht und meinen Kopf für das Wesentliche zurechtgerückt. Das hat sich also gelegt – zum Glück!
Ihr Mann ist Filmproduzent, Sie sind Schauspielerin und im Mittelpunkt steht nun natürlich Findley. Wie muss man sich Ihr derzeitiges Leben vorstellen?
Bei uns ist immer viel im Fluss. Und ich sage bewusst «bei uns», denn wenn Danny ein Projekt in den USA annimmt, betrifft mich das natürlich genauso. Deshalb besprechen und entscheiden wir immer gemeinsam als Paar, als Team. Dann heisst es für mich: ein Haus suchen für die Monate in Übersee, Koffer und Kisten packen, viele Dinge orga- nisieren etc. Daneben bin ich daran, auch meine eigene berufliche Zukunft zu planen. Durch Findleys Geburt und die Pandemie, aber auch aufgrund der bewussten Ent- scheidung, gewisse Angebote abzulehnen, hatte ich nun eine längere Pause.
Was hat sie bewirkt?
Ich hatte Zeit, mich zu fragen, was diese Situation mit mir macht. Dabei ist mir klar
geworden, dass ich künftig vermehrt eigene Projekte realisieren möchte. Derzeit fülle ich mein Buch mit Ideen, entwickle Konzepte und knüpfe Kontakt mit Theatern. Ich bin nach wie vor Feuer und Flamme für meinen Beruf, habe aber das Privileg, dass ich nicht mehr jedes Engagement annehmen muss. Das macht mein Leben um einiges ent- spannter als früher.
Das klingt sehr positiv – und Sie gehö- ren ja nicht zu den Menschen, die alles schönreden. Immer wieder sprachen Sie auch offen über Schicksalsschläge und Ihren harten Weg zum Erfolg. Hadern Sie manchmal damit?
Ja, da bin ich knallehrlich! Es gab Momente, da fragte ich mich: Warum ist alles immer so schwer? Warum muss ich immer zweifach kämpfen? Vor ein paar Jahren etwa hatte ich die Zusage für eine Hauptrolle in «Hair». In New York – der absolute Traum! Doch das Künstlervisum für die USA reichte nicht aus. Als ich nach einem schier unendlichen Bürokratie-Marathon endlich die GreenCard erhielt, wurde mein Papa schwer krank. Da war klar, dass ich an seiner Seite bleibe. Solche Momente erlebte ich mehrmals. Es gelang mir nicht immer, sie einfach wegzu- stecken. Umso mehr schätze und geniesse ich mein Leben heute: Grad gestern Abend sassen mein Mann und ich auf dem Sofa, der Kleine hüpfte herum, und ich spürte: Now is my time!
www.evelinesuter.ch
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