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«Musik live mit dem Publikum zu teilen ... das kann man nicht mit Worten beschreiben»
Text: Regula Elsener Steinmann Fotos: Irène Zandel
Es ist der Klang, der Esther Hoppe schon mit drei Jahren «getriggert» hat, wie sie lächelnd erklärt: «Ich hörte an einem Konzert eine Violine – ab dem Moment wollte ich dieses Instrument spielen!»
Aufgewachsen in Cham, studierte sie später in Basel, Philadelphia und London. Heute spielt sie in Konzerthäusern auf der ganzen Welt und ist Professorin für Violine an der Universität Mozarteum in Salzburg. Die alte Heimat besucht sie öfters: Ihre Eltern, die Pianistin Madeleine Nussbaumer und der Historiker Peter Hoppe, leben noch immer in Cham. Sie waren es denn auch, die früh zu spüren bekamen, wofür ihr Herz schlug.
Wie muss man sich das vorstellen? An- dere Kinder wünschten sich Lego oder Puppen, Sie hingegen eine Geige?
Ich wollte anscheinend schon mit drei Jah- ren unbedingt Geige spielen. Meine Eltern fanden aber, dass ich wohl noch zu klein sei. Da lag ich ihnen ein Jahr lang in den Ohren, und schliesslich durfte ich damit an- fangen. Das war anfangs sehr spielerisch, vielleicht zehn Minuten Üben am Tag. Spä- ter, im Jugendorchester Zug und mit ers- ten Kammermusikerfahrungen, erlebte ich auch den sozialen Aspekt des gemeinsa- men Musizierens. Da zog es mir richtig «dä Ärmel inä»!
Heute sind Sie u.a. Professorin für Vio- line am Mozarteum. Sie sagten einmal: Jemandem ein Stück beizubringen, sei, wie eine Sprache zu unterrichten.
Ja, das ist tatsächlich ähnlich. Jede Stil- richtung – Barock, Romantik, Klassik etc. – muss anders behandelt werden. Die Bogen- technik in einem barocken Stück ist ganz anders als in einem romantischen Konzert und muss entsprechend angepasst wer- den. Dasselbe gilt für die linke Hand. Dann geht’s auch um den Komponisten: Wo hat er gelebt, welche Sprache hat er gespro- chen, was und wer hat ihn beeinflusst usw. Da tastet man sich immer mehr an ein Werk heran: Man möchte ja im wahrsten Sinne des Wortes «Interpret», also «Übersetzer» sein. Mit der Zeit eignet man sich so ein Wissen an für einzelne Komponisten und
Stilrichtungen, ähnlich wie bei einer Spra- che eben. Dieses Hintergrundwissen zu bündeln, beim Spielen einfliessen zu lassen und die Technik ins Musikalische umsetzen zu können, das möchte ich meinen Studie- renden mitgeben.
Esther Hoppe spricht stets ruhig und über- legt. Dass sie tatsächlich «brennt» für die Musik, ist aber in jedem Wort spürbar. Wenngleich sie ihrer Branche durchaus auch kritisch gegenübersteht.
Persönlich erscheint mir die Welt der klassischen Musik, der Orchester und Solisten oft wie ein eigenes, kleines Uni- versum. Täuscht das?
(Denkt einen Moment nach) Ein Konzert ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Man kennt das Werk, hat geprobt, steht elegant und gestylt auf der Bühne, erhält Applaus – das ist quasi der glamouröse Teil. Die Welt hin- ter den Kulissen nimmt man tatsächlich kaum wahr, wie denn auch... Sie besteht aus Üben und viel administrativer Arbeit. Musikerinnen und Musiker sitzen heut- zutage zeitweise fast mehr am PC als am Instrument. Hinzu kommt das
Reisen, oft am Konzerttag selber. Jedenfalls gehört eine grosse Portion Flexibilität zu diesem Beruf. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – liebe ich ihn: Es ist nie lang- weilig! Und wissen Sie, auf der Bühne zu stehen, dem Publikum ein wunderbares Werk zu vermitteln und im Ge- genzug die Konzentration und die Emotionen zu spüren ... (macht eine Pause) Ach, das kann man nicht mit Worten beschreiben.
Sie haben zig Preise gewon- nen, CDs veröffentlicht, Kon- zerte gegeben – und doch sind Francine Jordi oder DJ Bobo bekanntere Namen. Är- gert es Sie, dass klassische Musikerinnen und Musiker in der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen werden? Ich denke, das kann man nicht vergleichen. Popmusik ist für
ein breites Publikum, Klassik spricht eher ein Nischenpublikum an. Was ich persön- lich mehr bedauere, ist, dass höchstqua- lifizierte Schweizer Musiker in erster Linie im Ausland Arbeit und Wertschätzung erhalten. Viele Schweizer Konzertveran- stalter haben diese, egal wie qualifiziert, nicht auf dem Schirm. In anderen Ländern wie etwa Frankreich, den Niederlanden oder Skandinavien werden die eigenen Leute viel stärker gefördert und gehört. Das tut mir manchmal leid für unsere Musikszene.
Dafür bleibt Ihr Privatleben privat: Sie sind Mutter und mit dem bekannten Cel- listen Christian Poltéra verheiratet. Viel mehr findet man nicht über Sie ...
(Lacht) Tja, was soll ich Ihnen da erzählen? Meine Söhne sind vier und elf Jahre alt, wir leben in der Region Zürich ... Reicht das?
Fast. Spielen die beiden Jungs auch Violine?
Der Kleine spielt noch kein Instrument, der Grosse Cello. Er ist sehr begabt, hat aber noch viele andere Interessen.
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