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   Der Felix aus Möriken bei J.Lo
Text und Interview: Thomas Lüthi
In den 80er Jahren war der Aargau ein grauer Ort. Da wirkte die Mode in den Sta- bilofarben migränenpink und pharma- grün wie verzweifelte Ausbruchsversu- che aus dem mittelländischen Einerlei. Popmusik war klinisch und kalt. Das Militär durchdrang alle Gesellschafts- schichten: Die Männer krochen in der Gehren durch den Dreck, die Frauen schickten Päckli und damit basta. Sonn- tags schaute man «Motel»: genervt, weil man sich darin wiedererkannte.
Felix Fischer entzog sich solchen Normen. Statt Frisbee zu spielen, lismete er in der Badi Möriken-Wildegg einen Stars & Stripes- Pulli. Im Dorfballett war er der einzige männ- liche Eleve. Mit Lieblingsmenschen tanzte er die Wochenenden im Aarauer Utopia durch. Seine queere Clique («Wir hatten alle gleich- zeitig unser Coming-out») wird im Affenkas- ten für Kopfschütteln gesorgt haben. Ich – ebenfalls ein Aarauer – erinnere mich nicht an diesen bunten Haufen. Das hat nichts mit Felix zu tun. Ich war einfach mit mir selber beschäftigt und damit, tagzuträumen.
Felix Fischer dagegegen setzte seine Träume um. Als die Ballettkarriere verlet- zungsbedingt nicht klappte, gab er mit seiner zweiten Leidenschaft Vollgas und eröffnete an der Langstrasse seinen ersten Salon. Als etablierter Coiffeur mit beein- druckendem Portfolio plante er dann einen dreimonatigen Aufenthalt in New York. Dar- aus wurde fast ein Vierteljahrhundert. Felix Fischer mauserte sich in dieser Zeit zum Celebrity-Coiffeur. Und wie man so schön sagt, er hatte sie alle: Hillary, J.Lo, Barack & Michelle, Madonna, Cate Blanchett und Ni- cole Kidman. Warum? Natürlich auch, weil er ein brillanter Coiffeur ist, der Haare als etwas Lebendiges betrachtet.
Das musst Du genauer erklären ...
Eine Frisur setzt sich aus 200000 Haar- strähnen zusammen. Man muss schauen, dass die Strähnen miteinander schwingen. Das hinzukriegen, ist eine Kunst. Da geht’s nicht bloss um Haarlänge. Ich frage deshalb nie, wieviel ich abschneiden soll. Sondern: Wohin wollen wir?
Erinnerst Du Dich an deinen ersten Promi?
Natürlich. Das war Elizabeth Hurley. Ich war hypernervös.
Auch bei Jennifer Lopez?
Nicht mehr so nervös wie am Anfang, aber doch, ja. Denn Jennifer ist anspruchsvoll. Ich begleitete sie auf einer Südamerikatour- nee. Sie liess sich bis zu fünfmal pro Tag fri- sieren. Einfach, weil sie Spass daran hatte. Einmal wurden wir von einer Polizeieskorte begleitet, ich sass mit ihr in der Limousine und dachte: «De Felix us Mörike mit de J.Lo – ned schlächt.»
Handwerklich bist Du super. Trotzdem: Warum wirst Du so oft von Celebrities gebucht?
Ich bin authentisch und war auch nie Fan von irgendjemandem. Das mögen meine Kun- dInnen – weil die Menschen um sie herum sich häufig verstellen und nicht ehrlich sind.
J.Lo scheint eine echte Diva zu sein. Gibt es auch bodenständige Stars?
Ja klar. Kate Winslet zum Beispiel. Sie ist ein Hippie geblieben. Bei einer Werbekam- pagne für einen grossen Film habe ich sie im Hotel frisiert. Trotz striktem Verbot wollte sie rauchen. Ich habe ihr den Vorhang ge- halten, sie hat dahinter geraucht. Oder sie bat mich zu sagen, sie sei auf dem WC mit Bauchweh. In Wirklichkeit ging sie ihre Kin- der von der Schule abholen. Das war ihr wichtiger, als Interviews zu geben. Man hat oft ein seltsames Bild von Celebrities ...
Wie meinst Du das?
Die Öffentlichkeit betrachtet sie als uniforme Masse. Dabei sind sie so verschieden, wie Menschen halt verschieden sind. Eine Ge- meinsamkeit haben Celebrities: Der grosse Druck, unter dem sie stehen. Für eine Pene- lope Cruz auf dem roten Teppich muss das Kleid perfekt sein und die Frisur hundert- pro stimmen. Sonst kursieren am nächsten Tag weltweit Bilder mit Kommentaren wie «OMG, die sieht ja schrecklich aus!». Sowas hat schon Karrieren ruiniert.
Jetzt bist Du seit etwas über einem Jahr wieder in der Schweiz. Weshalb?
Covid! Die Pandemie hat New York völlig auf den Kopf gestellt. Auch was mein Metier anging. Als ich in Zürich ankam, bezog ich
eine Hotelsuite, begann sofort zu arbeiten und hörte damit nicht mehr auf. Das hat mir enorm geholfen.
Und seitdem warst Du nicht mehr in den USA?
Doch, vor einigen Wochen buchte mich Anne-Sophie Mutter. Sie trat in einem Violin- konzert auf, das John Williams (Anm. d. Red. Star Wars, Jurassic Park, Indiana Jones) für sie komponiert hatte. Vier Stunden nördlich von New York. Dank einem speziellen Vi- sum konnte ich nach Übersee. Ich erkannte meine Stadt nicht wieder. Auch wenn alle fanden, dass sich die Lage verbessert hat.
Jetzt wirst Du wieder in der Schweiz heimisch?
Wir leben in einem wunderschönen Land, aber ich bin wohl zu lange weg gewesen. Vielleicht muss ich mir einfach noch etwas Zeit geben. Ein Jahr ist schon ziemlich kurz. Was mir hilft: Meine Familie lebt immer noch im Aargau. Zudem finde ich hier immer mehr Gleichgesinnte. Menschen, die lange im Ausland gelebt haben und wieder hier sind. Quasi Schweizer Expats ...
www.felixfischerhair.com
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