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Moderne Idylle
Es riecht nach Tomate. Um einen herum ein rot-grüner Dschungel. Dicke Erdhummeln fliegen
von Blüte zu Blüte, bestäuben diese. Schlupfwespen grasen die Blätter ab, um sich Blatt- läuse zu schnappen. Eine Mit- arbeitende pflückt prächtige Cuore di Bue. Und draussen bellt ein Sennenhund gutgelaunt Neuankömmlinge an.
Eine Idylle, aber eine moderne.
Denn wir stehen nicht auf dem offenen Feld, sondern in einem der riesigen Ge- wächshäuser von Meier Gemüse. Die To- maten wachsen Hors-Sol, der Dschungel ist also strukturiert, die Insekten werden ausgesetzt. Die Schlupfwespen verdeut- lichen, wie im Familienbetrieb in Rütihof gearbeitet wird. Man setzt in erster Linie die Natur zur Schädlingsbekämpfung ein, Pflanzenschutzmittel gibt es bloss im Notfall.
Für den jungen Patron Ruedi Meier, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt, ist das Nebeneinander von Natur und modernen Produktionsmethoden zwingend und ökonomisch bedingt: «Wir wollen unseren Partnern hochstehende,
gleichbleibende Qualität liefern, konstant und zu einem vernünftigen Preis. Das sagt sich so leicht, ist aber hochkomplex.» Denn der Endkunde verlangt nicht nur makellose, schmackhafte und gleichzeitig preiswerte Tomaten. Er wünscht sich auch, dass diese möglichst ökologisch, möglichst nachhaltig und am liebsten noch wie früher produziert werden. Also quasi auf dem freien Feld mit den Wurzeln im Boden, mit einem Bauer mit einer Villiger Krummen im Mundwinkel, der auf einem klapprigen Traktor sein Feld bestellt – eine romantische Vorstellung, die mit der Realität von Landwirtschaft und Gemüse- bzw. Früchteanbau nur wenig zu tun hat.
Obwohl Meier Gemüse den Blick in die Gegenwart und die Zukunft richtet, ist der Betrieb tief in Traditionen verwurzelt: «Ich half schon als Pfüdi mit. Für mich kam nie etwas Anderes in Frage, als dem Vater und Grossvater nachzufolgen», erinnert sich Ruedi Meier. Er führt den Betrieb mit seinem Vater. Mutter und Ehefrau unter- stützen ihn ebenfalls, der äusserst rüstige 96-jährige Grossvater legt ab und zu Hand an. Und die nächste Generation? Die Mei- ers haben drei Kinder: «Meine zehnjährige Tochter hat schon gesagt, dass sie mir nachfolgen will. Das höre ich natürlich gerne.» Und trotzdem: «Meine Kinder sol- len ihren Beruf frei wählen können. So wie ich. Dann macht man es auch mit Freude.»
Angefangen hat Urgrossvater Otto Meier nach dem Krieg mit Ackerbau, Vieh- und Milchwirtschaft. 1960 setzte Paul senior
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