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Gastronomie ist ein Lebensgefühl
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: STUDIO RUDE – Rahel Schneuwly / FunkySoulFood GmbH
Der Mann ist umtriebig: Seit 2008 moderiert René Schudel bei ProSieben Schweiz verschiedene TV-Formate, ist zudem Werbeträger für Lidl Schweiz und betreibt in Unterseen das bekannte Restaurant «Stadthaus». Mit seiner lockeren, sympathischen Art trug er mitunter dazu bei, das Image der Köche massiv aufzuwerten. Denn als er in den 90ern seine Lehre machte, gab es we- der irgendwelche Jamie Olivers noch coole Kochshows. «Heutzutage sind wir Köche fast schon sowas wie Rockstars.» Kochen ist also cool, trendy und bei allen beliebt. Nun ja, bei fast allen.
Ich koche, weil ich muss: Meine Familie hat Hunger. Wie entwickeln selbst Men- schen wie ich mehr Freude daran? (Lacht) Meine Tipps sind banal: Gehen Sie pragmatisch vor, verheddern Sie sich nicht in Details, seien Sie mutig, fantasievoll und neh- men Sie das Ganze vor allem nicht zu ernst!
Dann haben Sie Hoffnung für mich?
Ich habe Hoffnung für jeden. Das Schlimmste ist unnötiger Druck: Kochen wird leider immer mehr zum Schaulaufen. Kaum ist das Gemüse gar oder das Fleisch gebraten, muss gleich ein Bild davon in die sozialen Medien. Da wird eine Show daraus gemacht, was komplett dem widerspricht, was Kochen eigentlich sein sollte: ein ver- bindendes Element, das den Horizont er- weitert. (Überlegt einen Moment) Im Grunde ist es doch eine der letzten analogen Tätig- keiten in unserer digitalen Welt.
Stehen Sie denn immer noch selbst
am Herd?
Ja klar, wenn auch nicht mehr so oft wie früher. Ich bin Gastronom, die Küche ist nur ein Teil meiner Tätigkeit. Daneben geht es um wirtschaftliche Aspekte, aber auch um ethische, gesundheitliche und politische Fragen. Das alles ist hochkomplex und glei- chermassen faszinierend.
Was genau macht diese Faszination aus?
Es geht nicht einzig und allein nur ums Essen, Gastronomie ist für mich ein Lebensgefühl.
Beschreiben Sie das bitte näher!
Schauen Sie, wenn Sie ein Restaurant be- treten, spüren Sie sofort die Stimmung: Sie hören leise Musik, ein Geruch steigt in die Nase, das Geschirr klirrt, die Kerzen bren- nen und plötzlich ist man selbst ein Teil da- von. Ich als Gastgeber, Sie als Gast. Diese Vorstellung ist für mich nach so vielen Jah- ren noch immer gigantisch. Und Lohn für die wirklich harte Arbeit. Denn du arbeitest jeden Tag wie ein Wilder auf ein Ziel hin, das gleich wieder weg ist. Ein Maurer baut an ei- nem Haus, das Bestand hat. Ein Schauspie- ler dreht einen Film, den man Jahre später noch anschauen kann. Wir arbeiten für den Moment. Das ist manchmal etwas zermür- bend, aber auch unheimlich befriedigend.
Sie sind immerhin im TV verewigt! In Ihrer aktuellen Reihe «Schudel’s Food Stories» erzählen Sie kulinarische Geschichten ... Genau, ich packe am Morgen den Rucksack und ziehe mit meinem Kameramann los: Wir improvisieren ganz viel und zeigen, was hin- ter bekannten Rezepten steckt. Die Lasagne oder Paella «della Nonna» schmeckt nur so gut, weil sie das Grosi genau so kochte. Wir drehen bald neue Folgen – sofern Corona es zulässt.
Ihre Branche ist von den Massnahmen besonders hart betroffen. Haben Sie zwischendurch mal überlegt, den «Bettel hinzuschmeissen» und ganz aufs Fern- sehen zu setzen?
Nie im Leben! Ich mag meine TV-Tätigkeit sehr, geniesse es, dass ich da immer ohne Druck rangehen kann. Aber ich bin seit
29 Jahren Koch, das ist und bleibt meine grosse Leidenschaft. Nebst dem «Stadt- haus» werde ich im Sommer 2021 zusätz- lich das Restaurant «Des Alpes» in Interla- ken übernehmen und es als Brasserie mit Cafébar, Restaurant, Grill und Patisserie neu eröffnen.
Was viele vielleicht nicht wissen: Sie ha- ben noch zwei andere Leidenschaften, nämlich Helikopterfliegen und die Feuer- wehr Bödeli in Interlaken.
Das stimmt! Ich verspürte einfach Lust, was Neues auszuprobieren. Inzwischen habe ich eine Privatpilotenlizenz und versuche, regelmässig zu fliegen, um die Routine zu behalten. Das ist ein genialer Ausgleich zum Beruf. Und die Feuerwehr... ach, die gehört einfach zu mir.
Wie reagieren die Leute, wenn bei einem Einsatz plötzlich der TV-Koch vor ihnen steht?
(Schmunzelt) Nun ja, bei einem Ereignis jeglicher Art haben die generell andere Sor- gen – und ich einen anderen Fokus! Aber es kam schon vor, dass jemand nach einem Selfie fragte, was mich natürlich gefreut hat. Grundsätzlich bin ich in der Feuerwehr aber nicht der TV-Koch, sondern einfach «dr Schudel».
www.reneschudel.ch
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