Page 157 - Best ofSt. Gallen, Ausgabe 9
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Comedyprofis plaudern aus dem Nähkästchen
Text und Interview: Thomas Lüthi
Wer einen Abend lang Stammtisch- kollegen mit träfen Sprüchen unterhält, kriegt schnell mal zu hören: «Du gehörst auf die Bühne.» Wer’s tatsächlich wagt, wird eine böse Überraschung erleben. Sonst dröhnend belachte Witzchen wür- den mit der eisigen Stille eines zuneh- mend feindselig gesonnenen Publikums quittiert – ein absolutes Horroerlebnis. Dagegen ist ein 1er an einer mündlichen Prüfung wie Ferien auf dem Ponyhof. Professionell lustig sein ist harte Arbeit.
Auf diese Idee käme man als Zuschauer des Comedyduos Messer & Gabel aber nicht im Traum. Denn bei René Sulser und Rolf Kern in ihren Paraderollen Köbi und Jock sieht alles so leicht aus – wie sie punktgenau Pointen setzen, wie sie mit perfektem Ti- ming von einer Rolle in die nächste schlüp- fen, wie die zwei das Publikum in ihre eigene Welt entführen. Mittlerweile gehört das Duo schweizweit zu den populärsten Comedy- acts, begeistert Jahr für Jahr Zehntausende – auf der Bühne, an Partys, an Firmen- und Vereinsveranstaltungen.
Dabei haben einige ihrer Nummern bereits Kultstatus. Etwa das von Emil inspirierte, aber zu einer urkomischen, ureigenen Variante weiterentwickelte «Kreuzwort- rätsel» (Auszubildender am Zoll? – Filzstift, ungekochter Osteuropäer? – Ungar). Ent- deckt haben René Sulser und Rolf Kern ihr komödiantisches Talent früh ...
Wie hat alles angefangen?
Rolf: Wenn im Dorf der Nothelferkurs statt- fand, klingelte es jeweils bei uns zu Hause: «Wir brauchen Rolf. Als Schockpatient.» Da war ich zehnjährig.
René: Bei mir war’s ziemlich klassisch: Ich brachte meine Gspänli im Skilager und meine Kameraden in der RS bei Yverdon zum Lachen. Da lernte ich auch Rolf ken- nen. Er war Kompaniekalb im I und ich im II. Auf den viereinhalb Stunden Zugfahrt nach Hause haben wir uns und die Kollegen unterhalten. Dann verloren wir uns aus den Augen. Jahre später sind wir uns bei einer Geburtstagsparty wiederbegegnet ...
Als Gäste?
Rolf: Aber nein. Ich war als Zauberer enga- giert. Noch ganz klassisch – im Frack und mit Tauben. René war als DJ-Comedian da.
René: Rolf hatte schon einige Bühnener- fahrung. Er nahm mich mit an einen Auftritt – das war die Geburtsstunde vom Come- dyduo Messer und Gabel. Anfangs waren wir häufig als komische Kellner unterwegs.
Rolf: Wir haben viel gelernt in dieser Zeit. Uns gibt es jetzt seit über zwanzig Jahren. Mittlerweile haben wir ein gutes Gspüri entwickelt.
Wofür?
René: Für das Publikum. Wir spüren schon hinter der Bühne dessen Energie. Kommen die Leute vom Apéro und sind bereits gut gelaunt? Oder sind sie nach einem stressi- gen Tag eher müde?
Wie holt man ein müdes Publikum ab?
René: Schon die Vorbereitung hinter der Bühne ist wichtig.
Rolf: René ist ruhig und konzentriert ... René: Rolf tigert nervös hin und her... Rolf: ... Ich brauche das.
Und wenn der Vorhang aufgeht ...
Rolf: ... hast du genau drei Minuten Zeit, um das Publikum abzuholen. Wenn die Energie des Publikums hoch ist, kannst du dich tra- gen lassen, kommst in einen Flow.
René: Rolf improvisiert dann gerne, ich nehme eher ein bisschen Tempo raus ... Ganz anders agieren wir, wenn die Leute müde sind. Wir spielen viel präziser, jede Pointe muss ganz genau gesetzt werden – es fühlt sich für uns dann eher wie Arbeit an, wir sind viel mehr kopfgesteuert. Das Publi- kum merkt davon natürlich nichts.
Rolf: Laut einer Studie verbraucht man bei einem zweistündigen Auftritt vor 500 Leu- ten übrigens gleich viel Energie wie bei ei- nem normalen Achtstundentag.
Jetzt sind solche Auftritte ja (bald) wie- der möglich.
René: Das Publikum hat uns extrem ge- fehlt. Bis zum Lockdown sahen 35 000 Leute unser neustes Programm «selber- tschold?!». Erst holen wir die ausgefalle- nen Shows nach, und dann kommen neue Termine – kreuz und quer in der ganzen Deutschschweiz.
Worauf dürfen sich Eure Fans freuen?
Rolf: Natürlich gibt’s ein Wiedersehen mit Köbi und Jock. Sie segnen das Zeitliche und kommen in den Himmel. Doch fürs Paradies sind sie zu böse und werden in die Hölle ge- schickt. Aber dort ...
René: ... He, nicht zu viel verraten. Nur noch soviel: Es wird ein unvergesslischer Abend mit dem Comedyduo Messer und Gabel.
Tickets für «selbertschold?!» unter www.dmug.ch
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