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 «Was der Sport mich gelehrt hat? Wohl alles!»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Foto links: Kirsten Stenzel Maurer
Foto rechts: Thomas Rieckenmann
Die Frau ist 39, Olympiasiegerin und -zweite, mehrfache Europameisterin, hat ein abgeschlossenes Jurastudium und drei kleine Kinder: Kein Wunder, wird Triathletin Nicola Spirig häufig als «Superwoman» bezeichnet. Sie nimmt’s gelassen.
Diesen Titel hätten ihr ja schliesslich die Medien gegeben, sagt die Bülacherin ge- genüber «Best Of Zürich». «Ich selbst emp- finde es als grosses Privileg, den Alltag so zu gestalten, dass es für uns als Familie gut passt.»
Die Familie – das sind nebst ihrem Mann Reto die Kinder Yannis (8), Malea (4) und Alexis (2). Da haken wir doch nochmals nach – wenn auch mit einem Augenzwinkern:
Besitzen Sie nicht doch versteckte, übernatürliche Kräfte, Frau Spirig? (Lacht) Schön wär’s – ich wünsche mir oft, der Tag würde mehr als 24 Stunden dau- ern! Oder dass ich zwei Klone von mir hätte: eine Nicola, die nur trainiert, und eine, die Termine und Sponsorenevents wahrnimmt, Interviews gibt etc. Ich selbst würde den ganzen Tag mit meinen Kindern verbrin- gen. Mein Programm ist in der Tat sehr voll, aber glücklicherweise habe ich mit meinem Mann Reto und der Familie eine unglaublich tolle Unterstützung.
Wenn man Eltern wird, öffnet sich eine neue Welt. Wie schwer ist es, den Fokus gleichzeitig auf dem Spitzensport zu halten?
Sobald Kinder da sind, hat die Familie erste Priorität. Das ist sehr gut so. Sport ist je- doch nach wie vor meine Leidenschaft. Die Planung ist immer darauf ausgerichtet, dass es für die Kinder und die ganze Familie stimmt. In jener Zeit, die ich fürs Training zur Verfügung habe, konzentriere ich mich komplett auf den Sport und geniesse ihn auch. Danach bin ich wieder Mutter und kann mich so erholen. Dies geht natürlich u. a., weil der Sport wirklich mein Beruf ist und ich daneben nicht noch arbeiten muss.
Vor den Olympischen Spielen in Tokio konnte man vom «letzten grossen Ziel» lesen. Das erweckte den Anschein, als ob dies gleichzeitig der Schlusspunkt Ihrer Karriere war ...
(Schmunzelt) Das haben vor allem die Me- dien geschrieben. Ich bin selbst gerade intensiv am Überlegen, wie es weitergeht. Klar ist: Im Juni 2022 nehme ich am «Pro- jekt Sub8» teil. Wir wollen Grenzen ver- schieben und versuchen, den Ironman bei idealen Bedingungen unter acht Stunden zu absolvieren.
«Sub8» wird sogar von einer Netflix-Doku begleitet. Was wollen
Sie auslösen?
Es soll Motivation für alle sein: Probiert auch das Unmögliche! Denn der Weg dorthin lohnt sich fast immer, auch wenn man das Ziel manchmal nicht erreicht. Das Projekt wird extrem spannend und herausfordernd: In kurzer Zeit auf die Langdistanz wechseln, im Team vieles ausprobieren und testen ... Ich freue mich sehr. Gleichzeitig bauen wir unsere eigenen Projekte weiter aus.
Da liegt Ihr Fokus auf Ihrer Stiftung und dem Kids Triathlon. Was erleben Sie
da bei Veranstaltungen mit diesen Hunderten von Kindern?
Es ist unglaublich inspirierend zu sehen, wie schon die Kleinsten Freude am Sport haben. Ich versuche, für die Kinder Vorbild
und Inspiration zu sein. Aber manchmal erlebe ich es gerade umgekehrt: Mit ihrer Freude, ihrem Ein- satz und ihrem Lachen in- spirieren die Kinder mich! Letztes Jahr gab’s bei den Jüngsten, den 5-Jährigen, ein schönes Bild: Zwei Buben kamen als Letzte in die Wechselzone vom Velo aufs Laufen. Der eine hat sich zum anderen he- rumgedreht, seine Hand genommen, und die bei- den sind zusammen die ganze Laufstrecke ins Ziel spaziert. Meine Favoriten- Kategorie sind definitiv die Kleinsten, die mit ihren Schwimmringen, «Flügeli»,
LIKEaBIKES oder Velos mit Körbchen und Stützrädern kommen (lacht).
Sind da auch Ihre eigenen Kinder
schon am Start?
Uns ist wichtig, dass die Kinder viel draus- sen sind und sich bewegen. Sie sollen aber wählen, was ihnen Freude macht. Yannis hat schon ein paarmal beim Kids Triathlon teilgenommen. Oft kommt er einfach nur zum Helfen mit. Malea ist vor Kurzem auch das erste Mal gestartet. Sie war begeistert, auch wenn sie noch nicht wusste, welche Disziplin nach dem Schwimmen folgt ... Aber sie hatte Spass!
Sport ist immer auch eine Lebens- schule. Was hat er Sie am
Allermeisten gelehrt?
Wohl alles. Ich bin seit über 25 Jahren Spitzensportlerin, durfte durch den Sport meinen Mann kennenlernen, an fünf Olym- pischen Spielen teilnehmen, bin siebenfa- che Europameisterin. Der Sport hat mich gelehrt, wie ich mir ein Ziel setze und dieses verfolge. Wie ich Probleme lösen kann und nicht gleich aufgebe. Wie ich effizient und sinnvoll arbeite. Welche Werte mir wichtig sind. Er hat mich gelehrt, auf meinen Kör- per zu hören, mir selbst zu vertrauen – und vieles mehr!
www.nicolaspirig.ch
  Der Kids Triathlon liegt Nicola Spirig am Herzen – hier bei der Austragung im Juli 2021 in Bülach.
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