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                                  Nährboden Zug
Text und Interview: Thomas Lüthi
Um in Kopf und Seele frei zu werden, schwören viele junge Kulturschaffende auf eintausend Kilometer Distanz von zu Hause. Man will nichts als weg, weg, weg. Als Fluchtort fungiert häufig Berlin, wo die Regisseurin aus Zuoz ihren Expe- rimentalfilm umsetzt, wo der Mägenwiler Maler frei malen kann, wo die Bümplizer Autorin endlich ihren Roman schreibt, der von einer Bümplizer Autorin handelt, die in Berlin einen Roman schreibt. Für Lukas Hobi gilt das nicht. Ihn beengt(e) die Kleinräumigkeit seines Heimatkan- tons nie – im Gegenteil. Sie beflügelt ihn regelrecht und war entscheidend für den Sprung zum begehrten Musicaldarstel- ler, Regisseur, musikalischen Leiter und Mitglied von BLISS, der wohl bekann- testen Schweizer A-Capella-Formation, die weit über die Landesgrenzen hinaus Furore macht.
Was bedeutet Dir Deine Herkunft?
Sehr viel. Ich habe eine enge Beziehung zum Kanton Zug. Auch dank dem hohen Stellen- wert der Kultur. In meiner Jugend habe ich in zig Musikprojekten mitgewirkt. Sei es in Jazzbands, in aufwendigen Musicals oder in Chören. Davon habe ich enorm profitiert – ich konnte mich stetig weiterentwickeln. Zudem investiert der Kanton viel Geld in die Kultur.
Geld ist das eine. Aber interessieren sich die Zuger auch für Kultur?
Und wie. Vor allem haben sie keine Berüh- rungsängste. Das erinnert mich an den anglo- amerikanischen Sprachraum. Da begeistert sich auch der grösste Macho für Musicals. Weil er wahrscheinlich schon als Schüler in einer Laienproduktion mitwirkte und das toll fand. Diese Begeisterung und Offenheit spüre ich auch in meinem Heimatkanton, wo es vor entsprechenden Auftrittsmöglichkei- ten nur so wimmelt. Jeder und jede scheint irgendwo mitzutun. Das hat mich geprägt und bildet nach wie vor einen Nährboden für meine Arbeit.
Gab’s einen Moment bei Dir, wo Du gesagt hast: Jetzt werde ich Profi?
Nicht wirklich. Es geschah fliessend. Ich bereitete mich auf den Master als Sekun-
darlehrer vor, wirkte parallel dazu in vielen Produktionen mit. Nicht weil ich unbe- dingt Geld damit verdienen wollte, sondern ganz einfach weil’s mir Spass machte. Nach einer Ausbildung zum Musicaldarsteller wagte ich 2010 den Schritt zum Profi. Bereut habe ich das nie. Im Gegenteil.
Da steckt sicher viel harte Arbeit, Engagement und Disziplin dahinter, um es zu schaffen ...
Klar. Aber auch Glück.
Dass ich bei BLISS bin, ist
eigentlich purer Zufall. Eines
abends vor 15 Jahren ver-
passte ich in Luzern den Bus
und nahm den nächsten.
Da traf ich «Bliss»-Mitglied
Matthias Arn – ihn kannte
ich vom Musikstudium. Wir
plauderten miteinander, und
einige Wochen später kam
dann die Anfrage, ob ich
bei BLISS einsteigen wolle.
Glück und Unglück liegen häufig nah bei- einander. Bei meiner ersten grossen Pro- duktion, dem «Gotthelf-Musical» in Thun, kam es zu einem Unfall auf der Bühne, bei dem sich Kollegen verletzten. Gleichzei- tig wars aber auch ein Riesenglück: weil ich bei dieser Produktion meinen Partner kennenlernte.
Du bist jetzt seit 15 Jahren Mitglied von BLISS. Was ist das Spezielle an A-Capella? Die eigene Stimme ist das persönlichste Instrument überhaupt. Sie wird von deiner physischen und psychischen Verfassung beeinflusst. Chorsängern geht es da ähnlich. Und es genügt nicht, eine schöne Stimme zu haben. Ein guter Sänger muss auch genau hinhören können. Unsere Auftritte funktio- nieren deshalb nur, wenn wir hochkonzent- riert sind. Und gleichzeitig soll das Publikum nichts von dieser Konzentration merken.
BLISS ist schon lange zusammen. Was ist Euer Erfolgsgeheimnis?
Auch als Profis haben wir nie das Gefühl, dass wir auf die Bühne müssen, sondern
dass wir dürfen. Und natürlich freuen wir uns über Standing Ovations. Fast nach- haltiger wirken aber persönliche Begeg- nungen. In Deutschland erzählte mir ein Konzertbesucher, dass er einen schlimmen Tag hinter sich habe. Seine Frau habe ihn überreden müssen, mitzukommen. «Gott- seidank», sagte er, «das war der schönste Abend meines Lebens.» Sowas zu hören ist ein Geschenk.
Was dürfen wir von BLISS 2021 erwarten?
Wir touren weiterhin mit unseren Program- men «Kurzarbeit» und «Volljährig». Und soeben startete der Vorverkauf zu «Merry Blissmass», unserer Weihnachtsshow 2021. Wir sind zuversichtlich, dass wir bald wieder in rappelvollen Sälen auftreten.
www.bliss.ch www.lukashobi.com
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