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  «Krisen können magische Momente der Kunst auslösen»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Philipp Rohner
Sie ist ausgebildete Tänzerin – und ebenso studierte Volkswirtin: Eine über- raschend-ungewöhnliche Mischung, die Katrin Kolo in ihrer Funktion als Inten- dantin der Theater- und Musikgesell- schaft Zug (TMGZ) aber durchaus zugu- tekommt, wie sie im Gespräch mit «Best Of Zug» erzählt.
Wir treffen uns zu einem Spaziergang am Zugersee. Es ist kühl. Katrin Kolo stört das nicht. Für sie sei es schlicht ein Privileg, je- den Tag dieses Panorama zu sehen, erklärt die gebürtige Münchnerin schmunzelnd. Als Tänzerin hat sie die ganze Welt bereist, heute lebt sie mit ihrer Familie in Zürich, hat sich in Zug aber eine kleine Wohnung genom- men. «Noch nie fühlte ich mich irgendwo so schnell zu Hause.» Man spürt: Das ist keine Floskel, die Begeisterung ist echt.
Wir setzen uns auf eine Mauer am Ufer und sprechen über ihre ersten Monate bei der TMGZ. Kaum hatte sie im November 2019 ihre Funktion offiziell angetreten, kamen Co- rona und der Lockdown.
Frau Kolo, so hatten Sie sich Ihren Start sicher nicht vorgestellt...
Katrin Kolo: Nein, aber nach dem ersten Schock atmete ich tief durch und fragte mich: So, was machen wir daraus? Ich musste den Spielplan total umkrempeln, und bei jeder Veranstaltung, die abgesagt wurde, schwang eine gewisse Trauer mit. Weil sich das Publikum darauf gefreut hatte, weil die Künstler-Existenzen daran hingen... Aber ich versuche, in jeder Situation immer auch eine Chance zu sehen. So zwang uns Corona, viel dynamischer zu sein und Neues entstehen zu lassen. Und wir machten unse- ren Festsaal im Casino zum grössten Wohn- zimmer von Zug, damit weiterhin Kultur stattfinden konnte. Ich bin überzeugt, dass die Kultur bei der Bewältigung jeder Krise mithelfen kann: Denn sie verbindet.
Und? Fühlen sich die Zugerinnen und Zuger wohl in ihrem neuen Wohnzimmer? Krisen können magische Momente der Kunst auslösen. Das haben wir immer wie- der erfahren dürfen!
Sie leiteten früher u.a. Beratungsprojekte, in denen Sie aufzeigten, wie Kultur und Wirtschaft sich gegenseitig befruchten können. Wo sehen Sie Parallelen zu Ihrer heutigen Tätigkeit?
Sehen Sie, es geht immer um Prozesse. Im Grunde kann man auch meine Zeit als Tän- zerin dazunehmen, denn eine Choreografie ist ebenso eine Form des Prozesses. In der Intendanz kann ich alles vereinen. Bei der TMGZ umfasst diese ja sowohl die künst- lerische Leitung als auch die Geschäftsfüh- rung, was ich als grossen Vorteil empfinde. Denn die Verknüpfung ist derart eng – jeder Programmpunkt hat finanzielle Auswirkun- gen. Möchte ich also mal eine Produktion zu uns holen, die sehr teuer ist, muss ich sehr gute Gründe dafür haben (lacht).
Wie sehr hilft Ihnen da auch Ihr beruflicher Hintergrund als Volkswirtin?
Nun ja, ich liebe Zahlen genauso wie die Kultur. Das ist die analytische Seite in mir. Ursprünglich wollte ich sogar mal Physik studieren, entschied mich dann aber für die Volkswirtschaft. Ein Budget zu erstellen ist für mich keine Qual, im Gegenteil: Da steckt ganz viel Ästhetik drin.
Ähm – wie bitte?
(Lacht herzhaft) Glauben Sie mir, das ist so! Ein Budget muss mir eine Geschichte erzählen. Tut es das nicht, arbeite und feile
so lange daran weiter, bis es stimmig wird. Das ist ein ganz wichtiger Prozess. (Wir ma- chen uns auf den Rückweg zu Katrin Kolos Büro)
Sie betonten in Interviews mehrmals, dass es Ihr Ziel ist, künftig vermehrt ein jünge- res und auch nicht-deutschsprachiges Publikum anzusprechen. Wie gut ist das bisher gelungen?
So etwas muss sich natürlich erst ent- wickeln und herumsprechen – gerade bei Leuten, die in einer Region ansonsten viel- leicht nicht so stark vernetzt sind. Aber ich denke, dass diese Veranstaltungen in einer internationalen Stadt wie Zug durchaus ein Publikum finden werden. Was aber nicht be- deutet, dass künftig alles nur noch Englisch sein wird. Unser neues Veranstaltungsla- bel heisst zwar «ageless», aber dahinter steckt eine ganz andere Idee: Wir haben viele treue Theater-Besucherinnen und Be- sucher – und diese wiederum haben Kinder und Enkelkinder. Die «ageless»-Anlässe sind so konzipiert, dass sie eben jede Generation ansprechen und damit einen gemeinsamen Besuch möglich machen. Unser Wunsch ist, dass sich im grössten Zuger Wohnzimmer alle willkommen fühlen – ganz unabhängig von Herkunft oder Alter.
www.theatercasino.ch
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