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 Unzähmbare Leidenschaft ...
Text und Interview: Maximilian Marti Foto links: Gerry Ebner
Foto rechts: Kazuyuki Kitamura
... ist die Triebfeder im Leben der Er- folgs-Autorin Federica de Cesco. 1938 wurde sie im Friaul als Tochter eines italienischen Bau-Ingenieurs und einer deutschen Mutter geboren. Weil sie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit ihren Eltern in Äthiopien, Italien, Frank- reich, Norddeutschland und Belgien lebte, spricht sie fliessend Deutsch, Ita- lienisch und Französisch. 1962 zog die Autorin in die Schweiz, heute lebt sie in Luzern, zusammen mit dem Fotografen Kazuyuki Kitamura, ihrem japanischen Ehemann. Das Werk von Federica de Cesco umfasst über hundert Bücher. Als Weltreisende lebte sie eine Weile mit den Tuareg. Ihre Reise-Erlebnisse und ihre ethnologische Kenntnis sind das Thema einiger ihrer Bücher, illust- riert von ihrem Ehemann. Zündfunke zu ihrer Karriere war ihr Erstlingswerk, ein Roman mit dem Titel «Der rote Seiden- schal», den sie als 15-Jährige verfasste.
Frau de Cesco, 1957 erschien Ihr
erster Roman, «Le Foulard rouge», in französischer Sprache in Belgien und wurde zum Erfolg. Hat dieser
Sie überrascht?
Und wie! Es war eigentlich kein Buch ge- plant, aber ich konnte gut Aufsätze schrei- ben. Nachdem mich eine verständnisvolle Lehrerin ermunterte, etwas Ausführlicheres zu schreiben und auch weil ich mich in der Schule langweilte, begann ich, bei jeder Gelegenheit zu Schreiben. Ich hatte eine beflügelte Vorstellungskraft und stellte mir ein Leben in den verschiedensten Formen vor, mit Erlebnissen mit anderen Men- schen in ihrer eigenen, mir fremden Welt, in Freiheit und Ungebundenheit. Es wurde ein Manuskript, an dem ich, einfach den Gedanken meiner Fantasie folgend, immer weiterschrieb, bis vier Schulhefte voll wa- ren. Diese brachte ich der Lehrerin, die mir riet, einen Verlag zu suchen. Ich fand einen, der zwar literarisch in eine andere Richtung als Jugendbücher ausgerichtet war. Trotz- dem erhielt ich Bescheid, mich persönlich vorzustellen, man hätte mein Manuskript mit grossem Interesse gelesen. Ich fuhr hin
und kam mit einem Vertrag in der Tasche zurück. Die einzige Enttäuschung war, dass auf dem Cover das junge Mädchen nicht so, wie ich erwartet hatte, neben einem schö- nen jungen Mann stand, sondern neben ei- nem Kaktus.
Wie hat Ihr Umfeld auf diesen Erfolg reagiert?
Durchaus positiv! Meine Mitschüler waren begeistert und die Lehrer waren plötzlich sehr nett zu mir. Meine Mutter war sichtlich stolz und mein Vater, nicht unbedingt er- freut über meine angestrebte Karriere, zog bei seinen Geschäftsfreunden umher mit meinem Buch in der Tasche, das er strah- lend präsentierte: «Meine Tochter!», wie Väter halt manchmal sind.
Sie haben in einigen Ländern gelebt, wie hat dieses Quasi-Nomadenleben Sie geprägt?
Es hat mich gelehrt zu boxen, bildlich ge- sprochen, mich durchzusetzen. Als Toch- ter eines Italieners und einer Deutschen wurde ich nach dem Krieg in meiner Mäd- chenschule diskriminiert, uh la la! Aber ich konnte gut zeichnen und sann auf
einen Trick: Um die Gedanken der Anfeindung abzulenken, zeichnete ich nackte Männer, was auf grosses Interesse stiess. Der Trick funktionierte, ich hatte begehrte Handels- ware anzubieten.
Welches der vielen Länder, in denen Sie vor Ihrem Um- zug in die Schweiz gelebt haben, ist in Ihrer liebsten Erinnerung?
Italien. Bei Kriegsende schick- te Papa meine Mutter und mich zur Sicherheit nach Italien, auf eine Maulbeer-Plantage unserer Familie. Es war kalt, wir hatten keine Heizung. Der einzige warme Ort war der Kuhstall! Inzwischen hatte ich Narrenfreiheit. Ich rannte mit den einheimischen Kindern im ganzen Dorf herum, wir spiel- ten Verstecken in der Kirche und liefen von einem Kuhstall in den nächsten. Ich sehe noch
das Bild meiner Mutter, einer noblen Dame, die im warmen Stall, hübsch angezogen, Frivolitées häkelte, während ihre wilde Tochter barfuss in den Kuhfladen herumlief.
Welchen Stellenwert hat und hatte
die Leidenschaft in Ihrem Leben?
Immer den allerhöchsten. Leidenschaft ist mein Antrieb zum Schreiben, sie färbt meine Romane, bereichert mein Leben und ist das eigentliche Zentrum meines Seins. Ich ma- che nichts ohne Leidenschaft, egal was. Ohne dieses grossartige Gefühlserlebnis mit seinen Höhen und Tiefen ist ein Leben für mich undenkbar.
Mit den Erwachsenen-Büchern «Die Tibeterin», «Der englische Liebhaber» und, 2020, »Das Erbe der Vogelmen- schen» haben Sie Meilensteine gesetzt. Aktuell schreiben Sie einen Kriminal- roman. Worum handelt es sich? Eigentlich ist es ein Politthriller. Aber erwar- ten Sie nicht von mir, dass ich Ihnen den Inhalt verrate!
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