Page 43 - Bo_Bern_18
P. 43

 Die Aussprache meines Namens ist oft sehr kreativ
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Foto: Sergio Villalba
Jedes Mal, wenn sie diese energiege- ladene Atmosphäre im Stadion erlebe, bekomme sie Gänsehaut. «Da sind ganz viele Emotionen, es wird gesungen und getanzt!» Nein, hier schwärmt nicht etwa eine Musikgrösse, sondern die Schweizer Beachvolleyballerin Anouk Vergé-Dépré.
Genau diese Mischung aus Hochleistungs- sport und guter Stimmung hat es ihr nämlich angetan, verrät die Bernerin. «Beachvolley- ball ist ein Kampf, der physisch, technisch und mental sehr viel abverlangt. Trotzdem findet das Ganze in einer sehr lockeren und ungezwungenen Atmosphäre statt.»
Schon seit ihrer Kindheit findet sie Erfüllung im «Pritschen» und «Smashen». Allerdings nicht in der Halle, wie einst ihre Eltern – der Vater spielte in der französischen Volleyball- Nati, die Mutter in der höchsten Schweizer Liga –, sondern eben im Sand.
Die Krönung ihrer bisherigen Karriere: Zu- sammen mit Teampartnerin Joana Heidrich holte sie sich 2020 den Europameistertitel.
Liebe Anouk Vergé-Dépré, die erste grosse Herausforderung in diesem Inter- view ist zugegeben Ihr Name. Wie oft müssen Sie den in einer falschen Schreib- weise lesen?
Bezüglich Schreibweise geht’s noch, aber die Aussprache ist oft sehr kreativ (lacht).
Als Vorbereitung habe ich u. a. Ihre Web- seite angeschaut: Joana Heidrich und Sie nennen sich «Joanouk», Ihr Slogan lautet: «We train, fight, learn, and win together as a team.» Genau diese Teamstärke zeigt natürlich auch der EM-Titel. Was macht Joana zur idealen Partnerin?
Sie ist sehr athletisch und hat einen unbän- digen Willen, sich zu verbessern, an ihr Limit zu gehen. Zudem bringt Joana viel Fleiss ins Team. Das ist sehr motivierend für mich.
Trotzdem: Sie sind so oft zusammen und aufeinander angewiesen. Gehen Sie sich gar nie auf den Geist?
(Lacht) Klar, aber das eine widerspricht dem anderen nicht. Wir schätzen uns und wissen, dass wir uns super ergänzen. Das merken wir besonders auf dem Platz.
Tauschen Sie sich auch über persön- liche Dinge aus, oder ist das eine rein sportlich-berufliche Partnerschaft?
Wir verstehen uns als Arbeitskolleginnen, sprechen aber auch über Privates oder Per- sönliches. Aber wir treffen uns nicht in der Freizeit, da wir schon so extrem viel Zeit zusammen verbringen durch unseren Beruf.
Nach monatelanger Corona-Pause bestritten Sie im Februar 2021 in Doha endlich wieder mal ein Turnier. Wie fühlte es sich an?
Wir wissen sehr zu schätzen, dass wir über- haupt spielen konnten. Es war eine grosse Freude, wieder auf dem Platz zu stehen, dieses Adrenalin und Wettkampfgefühl zu spüren und sich international messen zu können. Ich war super energiegeladen und richtig heiss aufs «Battlen»!
Zu meiner Überraschung bezeichneten Sie in einem Interview die Atmosphäre während eines Matches als «Party-Fee- ling». Will man denn nicht genau dieses Image loswerden?
Kommt darauf an, wie man das interpretiert. Ich denke, in kaum einer anderen Sportart wird eine derartige Höchstleistung in einer so friedlichen Umgebung ausgeübt. Es gibt Musik, einen DJ, das Publikum kann mitma- chen und hat gute Laune. Nichtsdestotrotz sind wir auf dem Platz sehr professionell und hochkonzentriert.
Bei den Frauen sorgt ja das Outfit immer wieder für Diskussionen, zuletzt gerade beim Turnier in Doha. Ist das verständlich oder müssig aus Ihrer Sicht?
Ich selbst fühle mich wohl im Bikini. Für mich ist das etwas sehr Natürliches. Schliess- lich entstand unser Sport ja am Strand.
Persönlich habe ich auch noch mit keiner Beachvolleyballerin gesprochen, die nicht gerne in diesem Outfit spielt. Ich denke, es hat viel damit zu tun, dass wir uns – gerade wegen des Bikinis – sehr früh mit unseren Körpern auseinandersetzen. Dennoch finde ich es gut, dass darüber gesprochen wird und wir Spielerinnen und Spieler ganz gene- rell mehr Einfluss nehmen auf unseren Sport und dessen Rahmenbedingungen.
Ein Thema, das Ihnen offensichtlich am Herzen liegt: Sie sind Mitbegründerin und Vizepräsidentin der Spielergewerk- schaft. Warum hat es Sie gereizt, sich hier an vorderster Front zu engagieren? Ich gestalte gerne mit und bin aktiv invol- viert. Zudem hat unser Sport echt viel Poten- tial bezüglich Turnierstruktur, Vermarktung, Kommunikation etc. Bei den Olympischen Spielen ist Beachvolleyball eine der be- liebtesten Sportarten. Gleichzeitig sehe ich auch, dass Spielerinnen und Spieler teil- weise nur sehr schlecht davon leben kön- nen. Die Spielergewerkschaft bietet eine Plattform, solche Dinge anzusprechen und zu verändern – für uns selbst, aber vor allem auch für die nachfolgenden Generationen.
Neben dem Sport studieren Sie in Freiburg Medien-Kommunikation und Betriebs- wirtschaft. Wo und wie sehen Sie Ihre Zu- kunft, wenn das Kapitel Beachvolleyball einmal abgeschlossen ist?
Ich kann mir gut vorstellen, zum Beispiel in der Kommunikation oder im Eventmanage- ment für ein Unternehmen zu arbeiten. Auch die Arbeit in der Association, also unserer Spielergewerkschaft, öffnet mir viele Türen im Sport. Ich habe zahlreiche Interessen, daher mache ich mir wenig Sorgen um mein Leben nach der Beachvolleyball-Karriere.
 423










































































   41   42   43   44   45