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 Ich wollte schon immer einen Cowboy spielen!
Text und Interview: Maximilian Marti
Den gebürtigen Reigoldswiler Schau- spieler Roland Herrmann kennt man aus Serien und Musicals wie Dällebach Kari, Titanic, Anna Göldin, Café Bâle oder Lüthi und Blanc. Seit 1996 gehört er zum Ensemble des Theaters Fauteuil.
Warum wollten Sie Bühnen-
künstler werden?
Als Achtjähriger wollte ich eigentlich zum Film. Ich habe alle Filme im Fernsehen ver- schlungen und kannte alle Darsteller mit Na- men. Damals wusste ich gar nicht, dass es Theaterschauspieler gab. Ich komme vom Land, meine Eltern gingen nicht mit uns ins Theater. Später fand ich dann über berufli- che Umwege doch noch die Leidenschaft zum Theater.
Stimmt es, dass Sie als gelernter Kellner Ihre B-Karriere mit der Ausbildung zum Sänger und Tänzer begannen?
Alles begann mit klassischem Gesang, da war ich schon 22 Jahre alt und hatte eine Lehre als Kellner und das Handelsdiplom ab- geschlossen. Ich nahm Gesangs-, Tanz- und Schauspielunterricht. 1994 fragte mich ein Mitstudent, ob ich nicht Lust hätte, in Aarau im Musical «My Fair Lady» mitzuwirken. So machte ich die ersten Bühnenschritte. Ich verdiente mein Geld tagsüber mit meiner Arbeit im Büro und fuhr abends nach Aarau. Ende 1994 gab ich den Bürojob definitiv auf und konzentrierte mich voll auf die Schau- spielerei. Das nächste Engagement führte mich nach Winterthur in die «Jeff Western Musical Show», wo man mir schon die 2. Be- setzung für eine Hauptrolle gab.
War der Sänger und Tänzer damals pro- minenter in Ihnen als der Schauspieler? Mein Ziel war von Anfang an, Schauspieler zu werden. Dass dazu Musik, Gesang und Tanz gehörten, war für mich selbstverständlich.
Was waren die Highlights während Ihrer Ausbildung?
Der Moment, als ich meinen gut bezahl- ten Bürojob für einen nicht gut bezahlten Schauspieljob kündigte, war für mich ein wichtiger Schritt. Als mich auf einem Amt jemand nach meinem Beruf fragte, konnte
ich antworten: «Ich bin Schauspieler.» Dar- auf, dass ich das einmal sagen könnte, habe ich mich immer gefreut.
Was lieben Sie an Ihrem Beruf besonders?
Das Erarbeiten von neuen Rollen. Vor allem bei Uraufführungen hat man die Möglichkeit, die Rolle mitzugestalten. Mir gefällt die Her- ausforderung, sie auch nach der 30. Vorstel- lung geniessen zu können. Man sagt immer, bei so vielen Aufführungen kommt bald die Routine. Das ist bei mir jedenfalls nicht so. Es braucht sehr viel Konzentration und Auf- merksamkeit, jeden Abend seine Leistung zu bringen. Da kann ich mich nicht zurück- lehnen und denken, es geht schon gut.
Ausser in Basel liessen Sie sich in Berlin und LA ausbilden. Welche waren die gra- vierendsten Unterschiede im professio- nellen Umfeld?
Der Unterschied z.B. zu Hollywood ist nur der, dass die Filmindustrie in Amerika eine längere Geschichte hat als bei uns. Dort ist der Film schon lange ein grosser, eigen- ständiger Wirtschaftszweig. Bei uns sind grosse Filme nur mit staatlicher Unterstüt- zung realisierbar. Aber wenn die schauspie- lerische Arbeit gemeint ist: Da gibt es keine Unterschiede. Auch hier wird die gleiche Professionalität verlangt wie anderswo.
Die Palette Ihrer Rollen für Bühne, Lein- wand und TV ist breitgefächert. Welche Ihrer Figuren spielten Sie am liebsten? Da gibt es mal den Kurt Meier in «Café Bâle». So frech und schnoddrig wie in die- ser Figur konnte ich vorher und nachher nie mehr sein. Und trotzdem war er mir ir- gendwie sympathisch. Er hatte auch sehr lustige Seiten. In den Anfängen dieser Serie hatten wir noch viel mehr Zeit zu improvi- sieren. So entstanden viele Ideen, die nicht im Skript standen, die der Regisseur aber übernahm. Mir gefällt es zu improvisieren, Sachen entstehen zu lassen. Auch Slap- stick wende ich gerne an. Mir haben z.B. schon die frühen Filme mit Buster Keaton oder Laurel und Hardy sehr gefallen. Ich habe diese schon als Kind zu Hause nach- gespielt. Und ich liebe die Figur des Heiri in der «Rhygass-Oper», ein positiver, heiterer Mensch, der nur das Gute im Menschen sieht, am Schluss aber auch wegen seiner Naivität ausgenutzt zurückbleibt. Der ganze
Spannungsbogen dieser Figur von Fröh- lichkeit bis zur Traurigkeit gefiel mir. Aber auch der Jerry in «Manche mögen’s heiss» ist eine Lieblingsfigur von mir. Ich mag tra- gisch-komische Figuren.
Welche hat Ihnen am meisten abverlangt?
Das war die «Hommage an Cesar Keiser und Margrit Läubli» 2018. Diese Produktion machte ich in Zürich gleichzeitig mit dem «Pfyfferli» in Basel. Wir hatten nur wenig Zeit zum Proben und mussten dadurch top vor- bereitet auf die Probe kommen. Die Sketche und musikalischen Stücke von Ces Keiser waren nicht einfach zu lernen. Zumal unsere musikalische Leiterin die ganzen Lieder noch vierstimmig arrangiert hatte. Zur glei- chen Zeit wurde ich nochmals Vater, Zwil- linge habe ich ja schon, somit kam auch der Schlafmangel hinzu. Das alles zu stemmen kostete mich viel Energie.
Welche Figur würden Sie gerne spielen?
Das ist noch immer dieselbe, die ich schon als Kind immer spielen wollte: ein Cowboy in einem Western. Ob Gut oder Böse ist mir egal.
Was würden Sie heute anders machen?
Nichts Relevantes wahrscheinlich. Ich konnte schon sehr früh selber abschätzen, was ich schon kann, woran ich arbeiten muss und was ich will. Ich habe damals auch Rollenangebote abgelehnt, weil ich fand, ich sei noch nicht so weit. So sind die Rollen langsam grösser geworden, aber ich habe mich nie übernommen.
Wie sieht Ihr Alltag aktuell aus?
Ich habe im Moment viel Zeit und Musse, um meiner alten Leidenschaft zu frönen, dem Malen. Dadurch bin ich viel zu Hause und kümmere mich um die Kinder, bringe sie in den Klavierunterricht, fahre sie ins Tennis oder biete ein anderes Unterhal- tungsprogramm zu Hause. So viel Zeit für die Familie werde ich wohl so schnell nicht mehr haben. Nichtsdestotrotz würde ich mir wünschen, dass ich mein Künstlerle- ben bald wieder zurückkriege und wieder ein Stück Normalität in den Alltag einkehrt. Genau wie die Familie gehört halt auch die Bühne zu meinem Leben.
www.rolandherrmann.com
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