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 «Hast Du schon was vor diesen Winter?»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Jürg Röthlisberger / IBSF / Viesturs Lacis
Diese Worte waren gewissermassen der Startschuss zu einer der derzeit verheissungsvollsten Schweizer Bob- Karrieren. Dabei hatte der Derendinger Simon Friedli zuvor mehr aus «Gwunder» an den Leistungstests von Swiss Sliding teilgenommen. Sein Fokus lag nämlich auf dem Hürdenlauf, wo er 2009 gar den Vize-Schweizermeistertitel holte.
Doch Friedli schnitt bei den besagten Tests so gut ab, dass der damalige Bobprofi Rico Peter ihn kurzerhand ins Training nach Norwegen mitnahm – und im Team be- hielt. Heute gehört Friedli zu den grossen Schweizer Hoffnungsträgern im Eiskanal. Im Februar wurde er WM-Vierter im Zweier- bob, das nächste grosse Ziel sind die Olym- pischen Spiele 2022 in Peking. Da bringt er schon Erfahrung mit: In Pyeongchang 2018 holte sein Team den tollen vierten Platz. Damals war Friedli aber noch Anschieber bei Rico Peter. Ebenso 2016, als sie WM- Bronze nach Hause brachten. Seit 2018 hat er nun sein eigenes Team. Ausserhalb der Saison arbeitet er in seinem angestamm- ten Beruf als Koch. Und sieht hier durchaus Parallelen zum Bobsport. Bei beidem sei nämlich die Präzision entscheidend: «Beim Kochen sollte man nicht von den Rezept- vorgaben abweichen, im Schlitten nicht von der Idealline.»
Gleich zu Beginn des Interviews sind wir uns einig:
Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber Derendingen gilt nicht gerade als Mekka des Bobsports ...
(Lacht) Stimmt, wobei das wohl für den gan- zen Kanton Solothurn gilt! Doch die Team- chefs schauen sich eben schweizweit in Leichtathletik-Clubs und Turnvereinen um, weil gerade Läufer oft sehr gute Anschieber sind. Tja, und irgendwann kamen sie auch zum Turnverein Biberist aktiv, wo ich da- mals trainierte.
Über Hürden springen und einen Eiskanal runterrasen ist ja schon nicht ganz das- selbe ... Was gab den Ausschlag, dass Sie fix in den Bobsport wechselten?
Ich habe früh gemerkt, dass ich es als Leichtathlet kaum je schaffen würde, an einem Grossevent wie Olympia oder einer WM dabei zu sein. Im Bob hingegen sah ich diese Chance durchaus. Das hat meinen Entscheid sicher beeinflusst. Wenngleich ich der Leichtathletik noch immer verbunden bin. Ich kümmere mich um den Nachwuchs, und ab und zu nehmen wir als «alte Garde» auch mal wieder an einem Wettkampf oder Turnfest teil. Das ist jeweils sehr lustig!
Als 20-jähriger Hürdenläufer sagten Sie in einem Interview, dass Sie sich nicht vorstellen können, Teil einer Mannschaft zu sein. Was hat sich verändert?
Ich war tatsächlich lange dieser Überzeu- gung. Inzwischen weiss ich aber, dass mir auch die Arbeit im Team liegt. Als Bobfahrer erlebst du eben beides: Im Winter trainie- ren wir intensiv als Mannschaft, im Sommer gibt jeder für sich allein Vollgas. Da sehen wir uns nur ca. einmal pro Woche, weil wir recht weit auseinander wohnen. Dieser Mix entspricht mir sehr.
Seit 2018 sind Sie nicht mehr nur Teil ei- nes Teams, sondern haben Ihr eigenes. Das bedeutet viel mehr Verantwortung. Allerdings! Manchmal habe ich das Gefühl, ich leite eine kleine Firma. Da gehört al- les dazu – von der Zusammenstellung der Mannschaft und der Organisation des Trai- nings bis hin zur Finanzierung. Das ist der schwierigste Teil. Aber ich wusste ja, wor- auf ich mich einlasse, denn ich sah bei Rico immer wieder, wie eng die Budgets sind – selbst wenn man Erfolg hat.
Warum wagten Sie es dennoch?
Als Rico aufhörte, war nicht einfach ein an- deres Team auf Weltcup-Niveau da, zu dem ich wechseln konnte. Also sagte ich mir: Wenn schon, denn schon! Ich bin froh, dass ich den Schritt gemacht habe.
Keine schlaflosen Nächte?
Doch! Aber nicht, weil ich am Erfolg zweifle, sondern weil es halt immer darum geht, wie lange das Geld reicht. Ein Zweierbob kos- tet zwischen 50 000 und 70 000, ein Vierer sogar bis 100 000 Franken. Als Hürdenläufer brauchte ich gerade mal zwei Paar Nagel- schuhe pro Jahr (lacht).
Den Friedli kann nichts aus der Ruhe brin- gen, heisst es. Ganz ehrlich: Brodelte es innerlich auch nach der verpassten WM- Bronze nicht?
Ich bin grundsätzlich schon eher ein ruhi- ger Typ. Gerade bei Wettkämpfen bringt es ja auch nichts, ständig auszuflippen, wenn es nicht nach Plan läuft. Kommt hinzu: An der WM lagen vor uns drei deutsche Teams mit viel grösserem Budget und damit auch Topmaterial. Wir haben alles gegeben, fah- rerisch lief es perfekt – am Ende holten wir Platz vier. Da hätten andere sich vielleicht furchtbar aufgeregt, aber ich finde: Wenn wir so nahe an die rankommen, ist schon viel erreicht. Und irgendwann schaffen wir es hoffentlich auch aufs Podest.
Vielleicht ja in Peking – wir drücken die Daumen!
www.bobteamfriedli.ch
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