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 Lisa Stoll hat ihr Hobby zum Beruf gemacht
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Foto: Patrick Stoll
Lisa Stoll ist eine bekannte Schweizer Alphornsolistin aus Wilchingen im Kan- ton Schaffhausen und unter anderem auch ein Exportschlager für die Schweiz und ihre Volksmusik. Wir haben uns mit der jungen Frau, die mittlerweile im Aar- gau wohnhaft ist, unterhalten.
Zunächst die Frage der Fragen: Wie kommt ein junges Mädchen dazu, ausgerechnet Alphorn zu spielen?
Ich habe mit zehn das Alphorn entdeckt. Damals spielte eine Frau mit dem Instru- ment an einem Geburtstagsfest. Der Klang faszinierte mich von Beginn weg. Ich muss dazu sagen, dass ich ja bereits zwei Jahre zuvor mit dem Kornett begonnen hatte. Das Alphorn war der nächste logische Schritt. Und wie es der Zufall wollte, hatte unser Förster in Wilchingen ein nicht mehr ge- nutztes Alphorn seines Sohnes im Keller. Ich durfte das Instrument gratis haben, mit der Bedingung, dannzumal an der Hochzeit eben dieses Sohnes zu spielen. Was ich dann auch tat – das war gleichzeitig mein al- lererster Auftritt. Und: Noch heute benutze ich eben genau dieses über 20 Jahre alte Instrument.
Kommen wir gleich zur nächsten Frage: Was bedeutet für Dich Heimat?
Für mich ist Wilchingen Heimat, das Klett- gau. Hier bin ich auf einem Bauernhof auf- gewachsen. Ich wohne heute im Aargau, aber immer, wenn ich nach Wilchingen zurückkomme, spüre ich, angekommen zu sein. Das schöne Echo am Waldrand, wenn ich mit meinem Alphorn in der freien Na- tur spiele... dann fühle ich mich wohl und daheim.
Du hast in Deinem noch jungen Leben schon einige schöne Preise gewonnen, u. a. den Stadlerstern beim Silvester- stadl 2009. Was bedeuten Dir solche Erfolge?
Als ich mit zehn anfing, Alphorn zu spielen, waren Gedanken an Auftritte und Preise etc. noch sehr weit weg bzw. inexistent. Aber na- türlich gaben diese mir dann letzten Endes Bestätigung, dass ich scheinbar etwas gut mache und gut kann. Den Erfolg suchte ich
nie wirklich, aber er ergab sich im wahrsten Sinn des Wortes spielend. Der Stadl war na- türlich das Sprungbrett schlechthin. Diese Plattform öffnete ab 2009 extrem viele Tü- ren, und es ergaben sich fast automatisch und stetig unzählige neue Kontakte. Meine Karriere wurde so fast zum Selbstläufer.
Du hast auch schon grossartige Auf- tritte an exotischen Plätzen wie China, Japan, Kuwait, Dubai oder Moskau gehabt. Siehst Du Dich ein Stück weit als Markenbotschafterin für das typisch Schweizerische im Ausland?
Ja schon, das darf ich sicher so sagen. Ich spiele ein typisch schweizerisches In- strument und spielte u.a. auch schon in Schweizer Botschaften oder in Schweizer Clubs im Ausland. Japan war ganz speziell, die sind wirklich grosse Fans unserer Kultur, das war mehr als spürbar. Eine kleine Anek- dote: Als ich vor einiger Zeit privat in Zer- matt war und spontan entschieden hatte, auf dem Gornergrat zu spielen, waren sehr viele Asiaten da. Und ehe ich mich versah, posierte ich eine Stunde lang samt Alphorn vor dem Matterhorn. Postkartenmotiv total. Und hundertprozentig das Schweizer Kli- schee, aber es war eine schöne Erfahrung. Und ich «musste» sogar den einen oder an- deren Franken oder Fünflieber annehmen (schmunzelt).
Deine Liebe und Verbundenheit zur Volksmusik sind spürbar und authentisch. Was für Musik hörst Du gern, wenn Du mal den Kanal wechselst?
Ich höre eigentlich vieles, je nach Stimmung. Was ich nebst der Volksmusik sehr gern höre, sind alte Klassiker. Erst kürzlich habe ich mir einen Plattenspieler gekauft. Und dann und wann stöbere ich in Brockis nach alten LPs von den Beatles, Queen oder AC/ DC etc. Solche Sachen mag ich. Oder zwi- schendurch auch Schweizer Künstler wie Patent Ochsner oder Stefanie Heinzmann. Und natürlich auch gerne böhmische oder mährische Blasmusik im Egerländer Stil.
Und: Was für Hobbies oder Leidenschaf- ten gibt es in Deinem Leben sonst noch? Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. So gesehen müsste ich mir fast ein neues
suchen. Da ich auf einem Hof aufwuchs, ist die Natur nach wie vor etwas vom Schöns- ten für mich. Ich gehe gerne wandern, suche mir schöne Plätze in der Natur, wo ich Alp- horn spielen und die spezielle Akustik aus- testen kann. Ach ja, und ein Rennvelo habe ich noch. Das fristet jedoch im Moment ein etwas einsames Dasein.
Du sprühst geradezu vor Leben und hast eine sympathische, positive Aus- strahlung. Charakterisiere Dich doch mal. Was ist diese Lisa Stoll für ein Mensch? Und worüber kannst Du Dich tierisch aufregen?
Das ist die Art Frage, die man am liebs- ten hat...! Nun ja, ich bin eine Frohnatur, meistens Optimistin. Wenn etwas nicht gut ist, lohnt es sich meist nicht, sich zu stark darüber aufzuregen. Man muss das Beste aus einer Situation machen, Corona ist das beste Beispiel. Ich bin eher eine ruhige Per- son, nicht extrovertiert, dränge mich nicht auf. Und eigentlich bin ich eher etwas faul und musste lernen, mich zu bewegen und selber zu motivieren, als wegen Corona plötzlich die Auftritte ausblieben.
Was für Ziele hast Du für Dein Leben definiert? Wo soll die Reise hingehen, musikalisch und ganz generell? Schwierige Frage, ich plane eigentlich sel- ten langfristig und nehme Tag für Tag in An- griff. Dennoch muss man ja Konzerte oder auch Ferien planen. Mein Ziel ist natürlich, noch lange und hoffentlich bis ins hohe Alter Musik machen zu dürfen. Vor allem Volks- musik. Aber ich durfte auch schon Projekte bestreiten im Zusammenspiel mit Klassik- Orchestern oder in der Kammermusik. Das finde ich spannend und würde es daher gern mehr vertiefen. Dann habe ich mit einer Alphorn-Schule begonnen habe, viele Ideen für Projekttage im Kopf und lerne auch mit meinen Schülern stets noch etwas dazu. Aber man hat ja bekanntlich nie ausgelernt.
Vielen Dank für das nette Interview, Lisa. Und alles Gute für Deine weitere Zukunft!
www.lisastoll.ch
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