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 Dominic Deville –
Enfant terrible der Schweizer Comedy-Szene?
Text und Interview: Bianca Ritter Foto: Mali Lazell
«Deville Late Night» heisst die Satire- Sendung im Schweizer Fernsehen. Als unverschämt, schlagfertig und char- mant werden das Format und dessen Macher, Dominic Deville, beschrieben.
Lieber Dominic, Du bist ein Satiriker, ein sogenannter Comedian. Aber bist Du nicht auch ein Enfant terrible, ein Familien-, Bürger- oder gar Kinderschreck, wie Dein erstes Soloprogramm 2012 hiess?
Der Begriff Enfant terrible haftet mir wohl noch von meiner Vergangenheit an und ist immer ein gefundenes Fressen für die Medien. Ich bin auch erst Mitte 30 in die Kleinkunst reingerutscht und hatte zuvor in Punkbands gespielt. Fakt ist wohl, dass man mich nicht schubladisieren kann, ich bin sehr wandelbar. Früher Rebell und heute doch eigentlich ein braver Bürger ...
Du warst früher in Luzern als Kindergärt- ner tätig. Was hat Dich dazu bewogen, den Beruf an den Nagel zu hängen? Irgendwann nahm die Hobby-Ebene, sprich die Bühne, Überhand und gewann auch an finanziellem Anreiz. Der Kindergärtnerberuf ist etwas Wunderbares, aber man steckt halt bald mal fest. Ich hatte damals «nur» das Se- minar gemacht, da gabs noch kein Studium. Und dann wollte ich tatsächlich Neues aus- probieren, es zog mich unweigerlich auf die Bühne.
«Pogo im Kindergarten» heisst Dein erstes und Gerüchten zufolge letztes Buch. Worum geht’s im Kern und warum «letztes Buch»?
Man muss dazu wissen, dass es bis dahin von meinen Soloprogrammen nichts Schriftliches und auch keine Aufzeichnungen gab. Alles – auch auf der Bühne – war nur in meinem Kopf abgespeichert. Eines schönen Tages kam der Verlag auf mich zu und fragte, ob ich diese Vergangenheit nicht mal in Buchform rausbringen möchte. Ich sah das damals wie eine Art Abschluss jener Zeit und willigte ein. Und stellte fest, dass das Bücherschreiben wahre Knochenarbeit ist. Alles, was ich zuvor ausprobiert und entwickelt hatte – TV-Pro- gramme, Brettspiele, Comics, Platten usw. –, fiel mir leichter als leere Seiten mit guten Sät-
zen zu beschriften. Ich durchlebte eine tiefe Katharsis damals. Heute, mit einigen Jahren Abstand, könnte ich mir allenfalls vorstellen, wieder ein Buch zu schreiben ...
In jungen Jahren warst Du Teil von Lu- zerns Punkszene und hast später die Band «Failed Teachers» mitbegrün- det, die den Ruf hatte, die schlechteste und gefährlichste Punkrocktruppe der Schweiz zu sein. Erzähl doch mal.
Die Band gibt es nach wie vor. Pro Jahr spie- len wir ein, zwei Gigs. Das Projekt entstand aus einer Not, mit einem Berufskollegen, der ebenfalls den Erzieherberuf an den Nagel gehängt hatte. Wir begannen als Strassen- band, spielten Punk-Covers durch alle Epo- chen und genossen den Spirit, den der wahre Punk ursprünglich so attraktiv machte. Man musste nichts können, aber den Mut haben, es dennoch zu versuchen. Irgendwann nah- men wir sogar Platten auf. Es sind jetzt 22 Jahre mit den «Failed Teachers». Wer hätte das gedacht ...
Du warst sicher oft im Sedel und kennst Martin Gössi und die Möped Lads. Was verbindet Dich heute noch mit Punk, und was für Musik hörst Du am liebsten? Mein Geschmack war immer sehr breit ge- fächert. Natürlich waren und sind Punk und dessen Attitüde immer ein wesentlicher Teil. Neues schaffen, Revolutionäres schaffen. Daher sind für mich auch beispielsweise Kraftwerk Punks. Und in späteren Jahren Bands wie The Prodigy. Ich verfolge die Szene heute noch aktiv, höre je nachdem mal eine Dröhnung Misfits oder Dead Kennedys (z.B. beim Sport). Aber wie gesagt, meine Platten- sammlung gibt viel her. Mal etwas Hip-Hop, feine Elektronik, Black Metal, Easy Listening. Und grade gestern habe ich mir die neue LP der kanadischen Spectres bestellt, feinster Post-Punk. Mit Gössi und seinen Möped Lads verbindet mich eine Freundschaft. Für mich wars eine grosse Ehre, als ich für ihn anläss- lich einer persönlichen Ehrung der Stadt Lu- zern die Laudatio sprechen durfte.
Was für Humor magst Du selbst? Bitte um ein, zwei spontane Statements zu folgen- den Namen: Emil:
Ja, auf jeden Fall. Das sind auch Kindheits- erinnerungen. Eine gewisse Einfachheit und doch immer wieder in die Tiefe gehend. Fast
jeder kennt doch einen Satz aus einem Emil- Programm. Da kann man lange warten, bis es wieder so einen gibt.
John Cleese:
Der schwarze, blutige Humor von Monty Python hat natürlich auch zu Punkzeiten geflasht. Ich liebe die ganz grossen Sachen der britischen Truppe, mit den Filmen oder Soloprogrammen von John Cleese kann ich weniger anfangen.
Charles Nguela:
Meine Schmerzgrenze bei Stand-up-Co- medy ist oft rasch erreicht, nicht so bei Charles, der auch schon zweimal in meiner Sendung war. Der Mann hat unglaublich Energie. Egal, ob er dir auf der Bühne etwas über Pommes-frites erzählt oder eine kom- plizierte Gleichung erklärt, das ist einfach lustig. Ein Ausnahmetalent. Ich bin sicher, dass wir da noch viel erwarten können.
Harald Schmidt:
Er hat ja das Late Night-Format auch nicht erfunden, aber natürlich muss man sich scheinbar irgendwann mal an ihm messen lassen. Auch aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das blosse Daherlabern so heute nicht mehr funktionieren würde. Dennoch, er hat seine Marken gesetzt.
Und ein, zwei Sätze zu folgenden Herrschaften: Alain Berset:
Prügelknabe der Nation, bis zu einem gewis- sen Grad auch selbstgewählt. Scheint aber noch mit einem blauen Auge davonzukom- men. Ich schwanke oft zwischen Lachen und Mitleid bei ihm.
Marco Rima:
Da müsste ich fast weiter ausholen. Er war mein erster, wichtiger Förderer und oft spontaner Gast und SMS-Gratulant meiner Shows. Es schmerzt mich, seine derzeitige Achterbahnfahrt mitansehen zu müssen. Scheinbar ist seine Work-Life-Balance sehr durcheinandergeraten, das stimmt mich traurig und nachdenklich.
Vielen Dank für das flotte Gespräch. Und «good luck» mit deiner Late-Night-Show!
dominicdeville.ch
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