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BEST OF BEST OF Promi 1112Text und Intervie Elio StammFoto: Locarno Film Festival / Ti-PressDokumentarfi lmer Simon Baumann spricht dar%u00fcber, wie er seine Familie %u00fcberzeugen konnte, f%u00fcr %u00abWir Erben%u00bb vor die Kamera zu treten, und weshalb es nicht immer einfach ist, einen pers%u00f6nlichen Film zu drehen. Der Suberger gibt auch einen Einblick in das Verh%u00e4ltnis zu seiner Heimat, einem Durchfahrtsort im Berner Seeland. Simon Baumann, Dein preisgekr%u00f6nter Dokumentarfi lm %u00abWir Erben%u00bb thematisiert den moralischen Widerspruch zwischen Besitz und Gerechtigkeit anhand Deiner eigenen Familie. Wie lange hat es gedauert, bis Deine Familien mitglieder eingewilligt haben, Eure Diskussionen rund um den Hof Deiner Eltern in Frankreich vor der Kamera zu f%u00fchren? Unterschiedlich lange. Mein Bruder Kilian hatte die meiste M%u00fche. Er ist als aktueller Nationalrat der Gr%u00fcnen aber auch das gr%u00f6sste pers%u00f6nliche Risiko eingegangen. Kilian f%u00fcrchtete, dass seine politischen Gegner die Aufnahmen gegen ihn benutzen k%u00f6nnten, wenn er zu viel Pers%u00f6nliches preisgibt, oder wenn die K%u00fche in Hintergrund nicht sauber aussehen. Er ist aber auch nicht die Hauptfi gur. Ich wollte mich vor allem an meinen Eltern reiben, an ihrer Generation, ihrem Erbe. Bei ihnen war es zum Gl%u00fcck einfacher. Sie sagten spontan zu. Sie sind beide aber auch schon lange nicht mehr im Nationalrat und waren froh, dass ich viel Zeit bei ihnen auf dem Hof in Frankreich verbringen w%u00fcrde. Den Film selbst nahmen sie zu Beginn nicht so ernst. Als ich im zweiten Jahr des Drehs in den Diskussionen dann konfrontativer wurde, kamen sie schon ein paar Mal an den Anschlag. Hattest Du M%u00fche damit, Dich und Deine Familie so offen und damit auch verletzlich zu zeigen?Es gab defi nitiv einen Konflikt zwischen meinen Rollen als Sohn und Filmemacher. Als Regisseur musste ich den Sohn in mir pushen, schwierige Fragen zu stellen, auf Widerspr%u00fcche zwischen Handeln und Weltbild aufmerksam zu machen. Denn auch wenn es keine Tabus von Seiten meiner Eltern gab, fi el es mir als Sohn pers%u00f6nlich schwer, gewisse Dinge anzusprechen. Sicher auch, weil ich wusste, dass dieser Hof das Lebenswerk meiner Eltern ist, die Verk%u00f6rperung ihres Ideals nachhaltiger Landwirtschaft. Du lebst mit Deiner Partnerin und Euren zwei T%u00f6chtern in einem ebenfalls von Deinen Eltern geerbten Haus in Suberg im Berner Seeland. Dar%u00fcber, wie der wachsende Wohlstand den Gemeinschaftssinn im Dorf zersetzt, hast Du 2013 den Film %u00abZum Beispiel Suberg%u00bb realisiert.Der Film hat bis heute Sp%u00e4tfolgen (lacht). Ich, ein eher urbaner Mensch, bin heute besser in die Dorfgemeinschaft integriert. F%u00fcr den Film bin ich damals dem M%u00e4nnerchor beigetreten. Und blieb diesem treu, bis er sich 2017 aufgel%u00f6st hat. Ich war auch neun Jahre in der Kulturkommission der Gemeinde. Trotzdem rege ich mich auch heute noch oft %u00fcber Suberg auf. Es ist ein Durchfahrtsort ohne richtige Begegnungsm%u00f6glichkeiten. Wie schon Peter Bichsel gesagt hat: %u00abHeimat ist, wo ich meinen %u00c4rger habe.%u00bbWas ist der Grund, weshalb Du Filme so nahe am eigenen Leben drehst? Es macht f%u00fcr mich nicht viel Sinn, Filme %u00fcber Dinge zu machen, die ich nicht kenne. Es heisst oft, wir seien wohlstandsges%u00e4ttigt in der Schweiz, h%u00e4tten keine grossen Probleme wie B%u00fcrgerkriege. Es gibt aber defi nitiv genug Z%u00fcndstoff, genug Konfliktpotenzial in der Schweiz f%u00fcr einen guten Film, man muss nur etwas unter die Oberfl%u00e4che schauen. Schliesslich ist es auch eine Frage des Zugangs. Ich wollte schon lange einen Film %u00fcber das Erben machen. Frau Martullo-Blocher wird mit mir aber kaum %u00fcber ihr Erbe sprechen wollen.Kulturschaffender zu sein ist fi nanziell nicht immer einfach. Kannst Du als erfolgreicher Filmemacher allein von Deinen Kinoproduktionen leben? Nein. Selbst wenn ich F%u00f6rdergelder erhalte f%u00fcr die Filme, allein davon leben kann ich nicht. Auch, weil ein Filmprojekt viel Unsicherheit mit sich bringt und es lange dauern kann, bis es konkret wird. Ich betreibe seit 20 Jahren die Filmproduktionsfi rma ton und bild GmbH in Biel mit meinem Companion Andreas Pfi ffner. Wir realisieren neben eigenen Projekten Auftragsarbeiten f%u00fcr Industriefi rmen und Organisationen. Zum Beispiel Image-Filme. Immer wieder werden wir auch f%u00fcr Videoinstallationen angefragt. Zuletzt etwa haben wir f%u00fcr die Ausstellung %u00abHilfe, ich erbe%u00bb im Generationenhaus Bern sieben Erbgeschichten fi lmisch aufbereitet. Geburtstag: 25. Januar 1979Wohnort: SubergEltern: Ruedi Baumann (Ex-Gr%u00fcnen-Nationalrat), Stephanie Baumann (Ex-SP-Nationalr%u00e4tin)Bruder: Kilian Baumann (Landwirt, aktueller Gr%u00fcnen-Nationalrat)Web: www.tonundbild.ch In K%u00fcrze: %u00abWir Erben%u00bb von Simon Baumann gewann im M%u00e4rz 2025 den Schweizer Filmpreis in der Kategorie bester Dokumentarfi lm. %u00abAls Regisseur musste ich den Sohn in mir pushen%u00bb

