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146 BEST OF BEST OF PromiText und Intervie Bianca RitterFoto: Dominik Izaquiel Tom%u00e9Die alternative Szene der 80er Jahre und die damalige Reformp%u00e4dagogik haben sie gepr%u00e4gt. Ihre Kindheitserfahrungen bilden einen Teil des Fundaments ihres literarischen Schaffens. Die geb%u00fcrtige Baslerin Zo%u00eb Jenny ist eine ernstzunehmende Schweizer Autorin mit einem sehr interessanten Werdegang.Mit Deinem Bruder Caspar hast Du ein Buch geschrieben %u00fcber euren 2021 verstorbenen Vater, den Schweizer Autor, Verleger und Literaturaktivisten Matthyas Jenny. Was hat Euch dazu bewogen?Meine urspr%u00fcngliche Idee war es, die B%u00fccher, die mein Vater geschrieben hat und die inzwischen vergriffen sind, neu auflegen zu lassen. Der Zytglogge Verlag machte dann aber den Vorschlag, seine Texte in Erinnerungen von meinem Bruder und mir einzurahmen. So entstand diese ungew%u00f6hnliche Biografi e eines Buchmenschen. Apropos Familie %u2026 Ein Zitat von Dir lautet %u00abDie Familie ist ein Ort der Katastrophen, ein h%u00f6chst fragiles Gebilde.%u00bb Magst Du das n%u00e4her beleuchten?Das ist individuell, aber in meinen beiden Familienh%u00e4lften gab es viele extreme Ereignisse, von Mord, Verbrechen und Selbstmord bis hin zum Rebellen Galli Jenny, der als Anf%u00fchrer des Bauernkrieges 1653 in Basel hingerichtet wurde. Ich glaube, dass sich solche Schmerzen und Zerr%u00fcttungen in Familien an die n%u00e4chsten Generationen weitergeben. Irgendwann muss jemand kommen, um aufzur%u00e4umen und sich den Geschichten stellen. Worum geht%u2019s Dir haupts%u00e4chlich in Deinen B%u00fcchern? Gibt es so etwas wie einen roten Faden, immer wiederkehrende Themen? Ich glaube das Thema Angst ist in all seinen Variationen in meinen B%u00fcchern erkennbar. Auch in meinem Kinderroman %u00abNachts werden alle W%u00fcnsche wahr%u00bb, der k%u00fcrzlich erschien, geht es um das Thema %u00c4ngste und wie man diese %u00fcberwindet.Ich nehme Dich als streitbare, sehr zeitkritische Person wahr, die auch kein Blatt vor den Mund nimmt. Was f%u00fcr Themen brennen Dir spontan grad auf der Zunge?Ich schreibe ab und zu f%u00fcr die %u00f6sterreichische Wochenzeitung %u00abDie Presse%u00bb %u00fcber politische Themen. Zuletzt %u00fcber die Wahlen in den USA. Ich war sehr entt%u00e4uscht, dass nicht Kamala Harris Pr%u00e4sidentin wurde. Es w%u00e4re Zeit gewesen, dass endlich eine Frau das m%u00e4chtigste Amt der Welt innehat. Stattdessen leben wir jetzt in einer Welt von M%u00e4nnern wie Trump und Putin, die mit ihrem schon fast absurden imperialen Grossmachtgehabe das demokratische Gef%u00fcge, dem wir unseren Frieden verdanken, gef%u00e4hrden. In Deiner Vita ist mir aufgefallen, dass Du 2002 Preisrichterin am Internationalen Filmfestival von Locarno warst. Sicher eine spannende Erfahrung. Bist Du auch eine Cineastin?Ja, das war eine interessante Erfahrung. Es gab damals sogar ein Eklat, weil man sich nicht einigen konnte und der demokratische Mehrheitsentscheid von einem Teil der Jury partout nicht akzeptiert wurde. Ich erinnere mich noch, wie die amerikanische Schauspielerin Debra Winger aus der Presse konferenz st%u00fcrmte. Ich bin ein grosser Filmfan und konnte diese Passion zum Gl%u00fcck auch auf meine Tochter (15) %u00fcbertragen. Sie hat mir versprochen, bevor sie auszieht alle Hitchcock-Filme mit mir anzuschauen. Du bist in Basel geboren und sp%u00e4ter in Carona TI und in Griechenland aufgewachsen. Gelebt hast Du zeitweise auch in New York, in Berlin, in London, heute bist Du in Wien zuhause. Wie und wo defi nierst Du Heimat?Eine interessante Frage, weil ich ja vor 12 Jahren durch die KESB Beh%u00f6rde Ausserschwyz, wo ich damals lebte, praktisch gezwungen wurde, die Schweiz zu verlassen. Ich defi niere aber Basel als meine Heimatstadt. Hier habe ich am meisten Zeit verbracht und wurde massgeblich gepr%u00e4gt. Ich komme immer gerne nach Basel zur%u00fcck. Was f%u00fcr Projekte stehen als n%u00e4chste in der Pipeline? Wie sieht Deine unmittelbare Zukunft als Autorin aus? Im Moment schreibe ich an einem Roman, der in Basel spielt und historische Bez%u00fcge hat. Es geht um die dramatische Geschichte einer erzwungenen Adoption einer jungen Mutter, die aus der Ferne beobachtet, wie sich ihr Sohn zu einem ungew%u00f6hnlichen Gl%u00fcckskind entwickelt. Dieser macht sich erst nach ihrem Tod auf, seine wahre Identit%u00e4t zu entdecken. Geburtstag: 16. M%u00e4rz 1974Wohnort: Wien Aussergew%u00f6hnliches: Schlief in 2000 Hotels auf vier Kontinenten Youtube: zoejennybooksInstagram: zoejennywriter In K%u00fcrze: Zo%u00eb Jenny hat eine unverwechselbare Handschrift. Ihre B%u00fccher, teils stark gepr%u00e4gt vom eigenen Leben, fesseln, r%u00fctteln auf, machen neugierig. Bereits mit 23 wurde ihr das 3satStipendium beim Ingeborg-Bachmann-Preis zugesprochen. %u00ab08/15 w%u00e4re was ganz anderes%u00bb

