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 «Ich will kein TV-Roboter sein»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Foto links: SRF/Oscar Alessio
«Einmal Bündner, immer Bündner», lacht «10 vor 10»-Moderator Arthur Honegger auf die Frage, was ihn mit seiner Heimat noch verbindet. Denn mit 20 verliess er Davos in Richtung Zürich, von 2008 bis 2015 arbeitete er als SRF-Korrespondent in den USA.
Dort habe er Graubünden noch mehr schät- zen gelernt: «Als ich in New York lebte, musste ich jeweils 11⁄2 Stunden fahren, um ein Stück Natur zu sehen. Da realisierte ich erst richtig, in welcher Idylle ich aufgewach- sen bin.» Dazu in einem Ort, der Stadt und Land quasi vereint: «In der Zwischensaison kennst du in Davos jeden. Es herrscht ge- mächliches Dorfleben. Aber sobald die Saison beginnt, strömen Menschen aus der ganzen Welt herbei, der Ort pulsiert, es gibt Clubs und Partys überall. Gleichzeitig urban und ländlich aufwachsen – das ist ein Privileg.»
Mit seiner Frau Henna und den Kindern Amélie und Aatos verbringt er jeweils die Winterferien und auch sonst viel Zeit in Graubünden. Als passionierter Snowboar- der vermisste er während seiner Zeit in NYC und Washington nämlich besonders die Berge. Und umgekehrt? Was fehlt ihm, wenn er heute an die USA zurückdenkt? «Die Musik!», kommt ganz spontan. «Egal wo du bist – es gibt fast überall tolle Live- Acts.» Zudem hätten ihm die Lockerheit der Menschen und deren unverkrampfter Um- gang sehr gefallen. In der Schweiz empfin- det er vieles als tendenziell ernster, gerade in Diskussionen.
Ist das der Grund, weshalb er so ausgie- big und offen in den sozialen Medien un- terwegs ist? Früher waren Moderatorinnen und Moderatoren eher unnahbar, ein direk- ter Kontakt fand kaum statt. Honegger je- doch diskutiert mit seinem Publikum über aktuelle Themen, aber auch den Bartwuchs unter der Maske oder darüber, ob Ex Libris Bücher verkaufen sollte, die Corona-Ver- schwörungstheorien stützen.
Sie posten und twittern, was das Zeug hält! Ist das einfach Teil des Jobs?
Für mich ist es selbst- verständlich, mit dem Publikum in Dialog zu treten – und dabei auch Haltung zu zeigen. Dafür wende ich bewusst auch Zeit auf, weil ich es als eine meiner Kernaufga- ben ansehe.
Warum?
2019 lief Arthur Honeggers Dok-Serie «Mein Unbekanntes Amerika», in der er bislang unbekannte Ecken der USA zeigte.
 Weil es wichtig ist, Dinge
anzusprechen und unter-
schiedliche Meinungen zu diskutieren – so- fern sie relevant sind. Völlig abwegige Vor- stellungen indes diskutiere ich nicht, da bin ich wohl von der Klima-Debatte in den USA geprägt, wo der wissenschaftliche Konsens bis heute torpediert wird. Aber zentrale The- men müssen in einer Demokratie diskutiert werden. Das stosse ich gerne an.
Sie wurden auch schon als selbstverliebt und Egozentriker bezeichnet. Sind Sie das? Solche Schlagwörter werden einem oft nachgeworfen, wenn man Dinge anders an- geht als üblich. Manchmal kommt auch der Zufall dazu: «Selbstverliebt» hiess es etwa 2019, weil gleichzeitig meine DOK-Serie über die USA und 10vor10 liefen – verständ- lich, dass das eine «Überdosis Honegger» sein kann (lacht). Auch empfinden manche die Form des Reporters vor der Kamera als «Selbstdarstellung». Wobei jüngere Leute das generell anders sehen, sie wollen im Gegenteil wissen, wie die Journalisten ihre Arbeit machen.
Und der Egozentriker?
Kaum. Im Zentrum meines Lebens stehen andere: meine Kinder. Sie halte ich be- wusst aus der Öffentlichkeit fern, sie kön- nen ja nichts für meinen Job. Keine Home- storys also; das fände ich dann wirklich egozentrisch!
Ihre Kinder sind 10 und 7. Was lernen Sie – inmitten des heftigen, rasend schnellen News-Alltags – von den beiden? (Überlegt) Das Leben «aifach mal gah z’lah». Den Moment zu nehmen, wie er ist. Das zeigen sie mir zum Glück immer wieder.
Viele ihrer Kollegen tun das auch, suchen sich aber unterhaltende und nicht provo- kative Themen aus ...
Ich hoffe, ich habe auch den einen oder an- deren unterhaltenden Post – aber wohl eher auf Instagram (lacht). Twitter ist anders. Ein offener und ehrlicher Meinungsaustausch schafft auch eine Authentizität und Glaub- würdigkeit – das höchste Gut im Journalis- mus. Wichtig ist einfach, immer anständig zu bleiben.
Das tun nicht alle, wenn man gewisse Kommentare unter Ihren Posts liest ... Das ist das Problem der Leute, die so etwas schreiben (lacht).
Ganz ehrlich: Behagt Ihnen das Sticheln, die Rolle des «enfant terrible» nicht einfach?
Ich finde «Sticheln» nicht das passende Wort. Darum geht’s mir nicht. Sehen Sie: Ich werde mich nicht verstellen, um einfach ein TV-Roboter im gut sitzenden Anzug zu sein. Das will ich auch gar nicht. Ich bin Mensch, Bürger, Journalist mit klaren Werten – und bereit, öffentlich Haltung zu zeigen.
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